Kommunikation zwischen Gesundheitsfachperson und Patientin und Patient ist eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung. Insbesondere im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention kann die richtige Kommunikation ein entscheidender Faktor sein, um eine Veränderung zu erzielen.
Sabina Hunziker, Professorin für Medizinische Kommunikation am Universitätsspital Basel, legt daher grossen Wert auf die Aus- und Weiterbildung der Fachpersonen.
Frau Hunziker, was ist ein gutes Arzt-Patient-Gespräch?
Ein gutes Gespräch findet statt, wenn beide Gesprächspartner ihre Punkte anbringen können, wenn beide ein gemeinsames Ziel verfolgen und man am Ende einen gemeinsamen Weg einschlagen kann.
Was ist ein schlechtes Arzt-Patient-Gespräch?
Wenn die Personen aneinander vorbeireden, es Missverständnisse gibt, wenn Ängste und Probleme nicht angesprochen werden. Zum Beispiel wenn der Patient von seinen Ängsten erzählt und der Arzt nicht darauf eingeht und stattdessen nur Wissen vermitteln möchte.
Welche Arten von Gesprächen gibt es?
Es gibt zum Beispiel die arztzentrierte und die patientenzentrierte Gesprächs-form. Wenn der Patient von unspezifischen Symptomen erzählt und die Fach-person noch nicht weiss, um was es sich handelt, macht ein patientenzentriertes Gespräch Sinn. Das heisst, die Fachperson lässt dem Patienten Raum, um zu erzählen. Sie wartet ab und stellt offene Fragen. Wenn klarer wird, wo das Problem liegt, kommt das arztzentrierte Modell zum Einsatz. Die Fachperson übernimmt die Gesprächsführung und versucht mit spezifischen Fragen die Problematik einzugrenzen. In einem Gespräch kann je nach Situation zwischen den beiden Gesprächsformen gewechselt werden.
Wie hat sich die Kommunikation im Gesundheitswesen über die vergangenen zehn Jahre verändert? Zwischen Gesundheitsfachleuten und Patient, aber auch interprofessionell?
Vor allem die Rollen haben sich in den vergangenen zehn Jahren stark verändert. Eine gute Gesundheitsfachperson muss heute nicht nur über viel Wissen verfügen, sie muss es auch in der richtigen Form dem Patienten oder der Patientin verständlich erklären können. Das Patientengespräch hat an Bedeutung gewonnen und ist aus meiner Sicht ebenso wichtig wie das medizinische Fachwissen. Eine gute Beziehung zum Patienten kann mehr bewirken als ein Medikament. Vertrauen steigert die Selbstverantwortung und das Selbstmanagement der Patienten.
Wie sieht es mit der Rolle der Patienten aus?
Auch die Rolle der Patienten hat sich gewandelt: Vor allem die jüngere Generation tritt selbstbewusster auf, akzeptiert nicht einfach so die Einschätzung der Fachleute und holt rascher eine Zweitmeinung ein. Jüngere Menschen machen sich zudem vor dem Arztbesuch oft im Internet schlau und kommen mit einem gewissen Vorwissen ins Gespräch, was für den Arzt durchaus auch schwierig sein kann. Manchmal kommen die Patienten auch mit einem spezifischen Behandlungswunsch. Diese Wünsche und das Vorwissen kann die Fachperson nicht einfach zur Seite wischen. Sie muss zunächst darauf eingehen und kann erst dann über Alternativen reden.
Wie werden heute Entscheidungen zwischen Gesundheitsfachleuten und Patienten gefällt?
Auch dieser Bereich hat sich sehr verändert. Früher entschied der Arzt, was gut für den Patienten ist. Eine Diskussion fand weniger statt. Heute werden Patienten oft mehr in die Entscheidungen involviert, etwa in Situationen, wo es mehr als eine Behandlungsmöglichkeit gibt, eine sogenannte Equipoise. Dabei informiert der Arzt über die verschiedenen Behandlungsoptionen und erklärt die Vor- und Nachteile. Danach wird gemeinsam eine Entscheidung getroffen. Die Kommunikationsforschung zeigt, dass dieses Modell die besseren Aussichten auf Behandlungserfolg hat. Es gibt Situationen, wo diese gemeinsame Entscheidungsfindung sehr wichtig ist, etwa bei Entscheidungen am Lebensende respektive bei einem Therapieabbruch. Hier werden oft Angehörige in die Entscheidung miteinbezogen, die dann als «Surrogate-Entscheider» mithelfen, den Willen des Patienten umzusetzen. Diese Gespräche sind aber auch für die Angehörigen selbst sehr wichtig und können einen erheblichen Einfluss auf die psychosoziale Verarbeitung des Ereignisses haben.
Wie wichtig ist die gemeinsame Entscheidungsfindung im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung?
Auch in diesem Bereich ist das sehr wichtig. Nehmen wir als Beispiel einen Patienten mit «mildem» Bluthochdruck. Hier kann der Arzt dem Patienten zwei Optionen erläutern: Eine oft nicht einfach umzusetzende Veränderung des Lebensstils oder die Einnahme von Medikamenten, die Nebenwirkungen hervorrufen können. Arzt und Patient entscheiden sich dann gemeinsam für eine Option. Der Arzt agiert hier mehr als Berater, er präsentiert die Vor- und Nachteile. Eine gemeinsame Entscheidung erhöht die Chance markant, dass der Patient das Medikament auch einnimmt oder seinen Lebensstil verändert. Allerdings ist auch klar, dass Bluthochdruck nicht durch ein einzelnes Gespräch behoben werden kann.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, um Personen von einem gesünderen Lebensstil zu überzeugen?
Ein anderer Ansatz ist das sogenannte «Motivational Interviewing». Dies wird zum Beispiel bei Personen mit erhöhtem Tabak- und Alkoholkonsum eingesetzt. Es ist eine nicht ganz einfache Technik, bei der es darum geht, herauszufinden, wo der Patient oder die Patientin steht. Hat er schon viele Dinge ausprobiert, um mit dem Rauchen aufzuhören? Wenn ja, welche? Was hat funktioniert? Welche Ressourcen hat die Patientin zur Verfügung? Wo gibt es Motivation für Veränderung? Dabei ist wichtig, dass Arzt und Patient vertrauensvoll miteinander sprechen und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Die Fachperson muss sehr genau auf den Patienten eingehen, ihm gut zuhören und versuchen, Motivation und Zuversicht zu fördern. Welche «Tür» öffnet sich im Gespräch? Wenn sich eine Tür für einen Behandlungsansatz öffnet, kann die Fachperson dort einhaken und einen gemeinsamen Plan für eine Veränderung erarbeiten.
Wie sieht es mit der Fehlerkultur aus?
Wenn medizinische Fehler passieren, gibt es meist auch einen Zusammenhang mit der Kommunikation. Allerdings ist das Gebiet bislang immer noch wenig wissenschaftlich untersucht. Es gibt also wenig Zahlen dazu, wie oft medizinische Fehler aufgrund von Kommunikationsproblemen tatsächlich passieren. Es sind vor allem zwei Fragen, die hier im Vordergrund stehen: Wie können wir Fehler vermeiden? Und was geschieht, wenn ein Fehler passiert ist? Zur ersten Frage braucht es zum Beispiel mehr sogenanntes «Speaking-up», also dass die Leute sich auch trauen, Fehler anzusprechen. Oft bemerkt jemand, dass ein Eingriff nicht ganz korrekt abläuft oder dass nach einer Operation ein Tupfer fehlt. Aber man getraut sich nicht, es anzusprechen. Trotzdem ist es wichtig, dass man es sagt. Man kann es auch charmant sagen. «Speaking-up» kann eingeübt und trainiert werden. Im Sinne der Patientensicherheit ist eine Verbesserung der Fehlerkultur ein wichtiger Aspekt. Auch Checklisten können helfen, um Fehler zu reduzieren. Aber mit der Checkliste allein ist es nicht getan. Hier kommt es vor allem darauf an, dass jemand weiss, wie die Checkliste angewendet wird. Insbesondere in Stresssituationen ist das wichtig.
Was geschieht, wenn ein Fehler passiert ist?
Es braucht natürlich die Kommunikation mit dem Betroffenen. Es ist wichtig, dass rasch darüber gesprochen und informiert respektive auf Fragen oder Vorwürfe eingegangen wird. Aber auch die Kommunikation mit dem Arzt ist wichtig, denn er hat einen Fehler gemacht und auch er muss damit umgehen. Dies wird meist nicht einheitlich gehandhabt, es gibt je nach Spital oder Abteilung verschiedene Strategien, wie mit Fehlern umgegangen wird.
Wie wichtig ist nonverbale Kommunikation?
Sicher wichtig, aber auch dazu gibt es leider wenig gute Studien, die den Effekt untersucht haben. Was eine Fachperson ausspricht und wie sie das mit nonverbaler Gestik unterstreicht, sind wichtige Parameter für den Patienten. Ein Beispiel: Eine Patientin wartet im Wartezimmer auf die Diagnose, von der sie annimmt, dass sie schlecht sein wird. Der Arzt kommt ins Wartezimmer mit einem mürrischen Gesicht, weil er gestresst ist. Dann hat die Patientin gleich das Gefühl, dass nun sicher eine schlechte Nachricht kommt. Auch ist es unangebracht, mit dem Patienten fröhlich zu lachen oder ausgelassen über unwichtige Dinge zu plaudern und danach schlechte Nachrichten zu überbringen. Sehr wichtig bei der nonverbalen Kommunikation ist der Blickkontakt. Wenn der Arzt zum Beispiel einem Patienten schlechte Nachrichten überbringen muss, dann schaut der Patient im ersten Schock immer weg. Erst wenn der Patient den Blickkontakt zum Arzt wieder sucht, kann er weitere Informationen aufnehmen.
Was ist bei der Kommunikation mit Demenzkranken zu beachten?
Hier ist die Kommunikation besonders schwierig, weil die etablierten Kommunikationstechniken meist nicht funktionieren. Hier muss noch klarer und strukturierter vorgegangen werden. Jeder Punkt muss angekündigt und einzeln besprochen werden. Wichtig ist, den Patienten ernst zu nehmen, auch wenn er nicht mehr im Besitz aller geistigen Kräfte ist und sich an manches nicht mehr erinnern kann. Die Patienten merken, wenn sie nicht ernst genommen werden. Wenn zum Beispiel getestet wird, ob eine Demenz vorliegt, mit zum Teil einfachen Fragen wie «Welcher Wochentag ist heute?», dann muss das dem Patienten im Voraus angekündigt werden. Im Sinne von: «Ich muss Ihnen jetzt einige ‹komische› Fragen stellen. Ich frage diese, um mir ein besseres Bild über Ihre jetzige Orientierung zu machen ...»
All diese Techniken benötigen eine fundierte Ausbildung und ein regelmässiges Training. Wie werden die heutigen Gesundheitsfachleute ausgebildet?
An der Universität Basel haben wir ein sogenanntes longitudinales Curriculum für Medizinische Kommunikation. Dies bedeutet, dass die Studentinnen und Studenten während des gesamten Studiums aufbauend in entsprechenden Kursen und Vorlesungen ausgebildet werden, in denen theoretisches wie auch praktisches Wissen vermittelt wird. Tutoriate, Kurse, Kleingruppen stehen auf dem Programm. Wir arbeiten auch mit Videos oder mit Simulationspatienten. Ein wichtiges Trainingsinstrument ist der Patientensimulator: Hier können Teams anhand einer Puppe zum Beispiel die richtigen Griffe bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand üben und die Abläufe im Team verbessern. Hier konnte gezeigt werden, dass die Führungskommunikation im Team wichtig ist für eine erfolgreiche Reanimation.
Was ist bei der interkulturellen Kommunikation besonders?
Auch wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander sprechen, ist es immer noch ein Gespräch; es gelten also nicht grundsätzlich andere Regeln. Allerdings gilt es einige Ausnahmen und spezielle Voraussetzungen zu beachten. Zum Beispiel, wenn ein Arzt einer Patientin nicht in die Augen schauen darf. Schwierig kann es auch bei Entscheidungen werden, die in anderen Ländern anders gehandhabt werden, etwa Entscheidungen am Lebensende. Wenn der Arzt vorschlägt, die Therapie abzubrechen und die Geräte abzustellen, und die Angehörigen das nicht akzeptieren. Hier ist ebenfalls wichtig, die Personen in die Entscheide einzubeziehen. Die Entscheidung über Leben und Tod braucht eine gemeinsame Grundlage.
Die Gesundheitsfachleute tragen hier auch eine grosse Verantwortung.
Absolut. Die Sätze, die sie sagen, können sehr lange haften bleiben. Gewisse Patienten erinnern sich ihr Leben lang an bestimmte Sätze, die ihnen die Fachperson gesagt hat. Da darf man erwarten, dass sich die Fachperson auch einige Gedanken dazu macht, wie sie es sagt.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit BAG.
Für Anregungen und Inputs, können Sie uns gerne per Mail kontaktieren: med@tcs.ch