Herr Professor, warum gab es diesen Winter keine Grippe?



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Corona

Quelle: TCS MyMed


Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.

Herr Professor, Osterzeit ist Familienzeit. Darf man dieses Jahr wieder etwas lockerer feiern?
Ja, das darf man. Ohne jedoch leichtsinnig zu werden. Klar, wir könnten besser unterwegs sein mit den Impfungen, aber zum ersten Mal seit langer Zeit schöpfe ich Hoffnung. Und diese stirbt bekanntermassen zuletzt.

Die Financial Times schreibt, dass das Coronavirus die mit Abstand am wenigsten gefährliche Pandemie hervorbrachte, denn bisher seien lediglich 0,03 %der Weltbevölkerung daran gestorben. Wie ordnen Sie diese Aussage ein?
Und nichts ist sicherer als Flugreisen … Dennoch sind Flugzeugabstürze immer eine Hauptnachricht, wenn sie sich ereignen. Ich gebe nichts auf diese Statistiken, da es nicht nur um die Toten geht, sondern auch um die Wucht und das Ausmass, mit welchem die Pandemie unser Schönwettergesundheitssystem und die Versorgung der Kranken sowie unsere Ökonomie und die Gesellschaft als ganzes getroffen hat. Das war und bleibt für mich wie im Krieg.  

Viele fürchten sich vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung. Wie nehmen Sie den Leuten diese Sorgen?
Nebenwirkungen können vorkommen, wenn eine Impfung unser Immunsystem stimuliert. Das ist normal. Jeder Mensch und jedes Immunsystem reagiert anders. Langfristige Schäden wird es hoffentlich nicht geben, ausser in Einzelfällen. Autofahren ist gefährlicher, um auf die Statistikfrage zurückzukommen.

Die Grippe ist in dieser Saison komplett ausgeblieben. Ist das dem Coronavirus zu verdanken?
Nein. Der Dank gilt einzig und allein den Masken, Hygienemassnahmen und dem Social Distancing. So etwas habe ich während meiner Karriere noch nie erlebt, das ist beindruckend. Und wir sind dankbar, weil wir beides nicht hätten stemmen können.

Im Gegenzug nehmen Depressionen und die häusliche Gewalt zu. Was stimmt Sie dennoch optimistisch für die Zukunft?
Wir mussten lernen, dass man Menschen, die an beinahe unbegrenzte Freiheiten gewöhnt sind, nicht einfach zu Hause einschliessen kann. Dann schliesst man die Menschen auch mit deren Problemen, Ängsten und Sorgen ein. Das gilt nicht nur für Erwachsene, sondern vor allem auch für Kinder und Jugendliche. Die psychischen Wunden der vergangenen 1.5 Jahre werden uns vermutlich noch länger begleiten als die kranken Lungen, da erstere nicht so gut sichtbar sind. Long Psyche Covid wird sicher ein Thema werden.

Der Drang nach Freiheit scheint derzeit stark zu sein. Was denken Sie, wie lange wir noch bereit sind, uns für das Gesundheitssystemunterzuordnen? 
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in der Schweiz mehr Freiheiten geniessen konnten als die Menschen in vielen anderen Ländern. Dafür sollten wir dankbar sein – dem Schicksal, der Regierung, den vernünftigen Menschen. Und wir müssen aufpassen, dass unser Drang nach Freiheit nicht in Leichtsinn umschlägt und alles wieder kaputt macht.


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