Medizinische Tätigkeiten über eine räumliche Distanz gewinnen in Zeiten der Coronakrise an Bedeutung. TCS-Ärztin Serena Barberis erklärt, welche Chancen die Telemedizin bietet. Zudem beantwortet sie häufig gestellte Fragen zu COVID-19.
Wie hat sich die Arbeit für die Ärztinnen und Ärzte des TCS während der Corona-Krise verändert?
Im Moment hat es nur noch sehr wenig Reisende und dadurch hat unsere Arbeit im Gesamten natürlich deutlich abgenommen. Die komplizierten Fälle, das heisst die Fälle, die vom medizinischen Dienst mitbeurteilt werden müssen, haben sowohl bei den Rückführungen wie auch bei den medizinischen Beratungen abgenommen.
Mit welchen Fragen sind Sie im Alltag am häufigsten konfrontiert?
Unsere Kunden stellen häufig Fragen nach der Dauer der Ansteckungsperiode, nach den Risiken krank zu werden, nach den Möglichkeiten sich zu bewegen. Aber vor allem bitten sie uns, wenn möglich tröstende Botschaften an die im Ausland erkrankten Familienangehörigen weiterzugeben, weil sie selber meistens keinen direkten Kontakt mit ihnen herstellen können. Selbstverständlich versucht man dies wenn immer möglich und wenn es gelingt, sind diese Situationen sehr berührend und emotional.
Viele Menschen kommen in dieser Zeit gezwungenermassen mit der Digitalisierung und Telemedizin in Berührung. Was bedeutet diese Entwicklung für die Ärztinnen und Ärzte?
Die Telemedizin ersetzt die persönliche Konsultation nicht, ist aber ein sehr wirkungsvolles und modernes Werkzeug, vorausgesetzt es wird nach klaren Regeln eingesetzt. Es muss klar festgelegt werden, was der Arzt oder die Ärztin telemedizinisch behandeln kann und was nicht. Wichtig ist, dass der Datenschutz gewährleistet ist.
Gleichzeitig können dank der vermehrten Online-Kontaktaufnahme medizinische Ressourcen geschont wie auch das Personal entlastet und geschützt werden...
Die Kommunikationstechniken zwischen Arzt und Patient haben sehr starke Fortschritte gemacht, auch hat sich dabei die Verhaltenskultur weiterentwickelt und gewandelt. Die Zeit ist da für die Telemedizin. Die künftige Welt wird digital sein und die Betreuung der Kranken kann und muss davon profitieren.
Als Ärztin ist ihr Rat zurzeit sehr gefragt. Zum Beispiel hört man immer wieder, dass auch junge Menschen auf der Intensivstation sind. Verläuft die Krankheit bei jungen anders als bei älteren Personen?
Man muss sich immer wieder bewusst sein, dass man das COVID-19 erst seit 3 Monaten kennt. Die Situation ändert sich jeden Tag in jedem Land und die Voraussagen sind noch nicht zuverlässig. Man weiss sicher, dass vorbestehende chronische Erkrankungen in jedem Alter Risikofaktoren sind. In der Regel haben junge Menschen grössere Reserven, da ihre Organe noch leistungsfähiger sind und sie meistens nicht mehrfache Risikofaktoren haben. Ältere Menschen haben häufiger mehrere gesundheitliche «Baustellen», die sich im Krankheitsfall kumulieren können. Jugendliche und Erwachsene sind weniger betroffen aber niemand ist geschützt und sicher vor einer Erkrankung. Deshalb muss jeder in jedem Alter genauestens die Richtlinien der Gesundheitsbehörden seines Landes befolgen und jeden gefährlichen Kontakt meiden.
Was muss man tun, wenn man mit einer Person zusammenlebt, welche an einer akuten Atemwegserkrankung leidet?
Wenn es sich um eine akute Erkrankung handelt sollte man sofort seinen Hausarzt/-ärztin informieren damit er/sie entscheiden kann, ob eine Testung auf COVID-19 notwendig ist.
Die Person mit der man im gleichen Haushalt lebt, gehört zur Risikogruppe und man selbst ist aufgrund der Arbeit regelmässig unter Leuten. Wie schützt man diese Person?
Jeder direkte Kontakt sollte vermieden und die Hygienemassnahmen aufmerksam befolgt werden: Duschen nach der Heimkehr, jederzeit Abstand halten, Badetücher sowie Wäsche und Bettwäsche nicht teilen, eine chirurgische Maske tragen, sich immer wieder die Hände waschen oder desinfizieren und sich mit schmutzigen Händen nicht ins Gesicht greifen. Wenn diese Massnahmen nicht durchführbar sind, sollte man sich räumlich distanzieren oder auf den Teil der Arbeit verzichten, der einem in direkten Kontakt mit COVID-19-Patienten bringt.
Es wird erwartet, dass es in der Zeit des Lockdowns vermehrt zu Streits und häuslicher Gewalt kommen wird. Was raten Sie der Bevölkerung, damit ihnen zu Hause nicht die Decke auf den Kopf fällt?
Allgemeine Regeln gibt es hier nicht, es werden aber in allen Medien viele gute Ratschläge und Tipps angeboten, die je nach Möglichkeiten auch befolgt werden sollten. Jede Gewaltanwendung gegen Personen, ist ein Verbrechen, das geahndet werden sollte. Man sollte nicht abwarten, weil die Einschränkungen im Haus können eine schon brüchige Situation noch verschlimmern, manchmal mit dramatischen Folgen. Nebst der Polizei (117) können folgende Webseiten hilfreich sein: www.opferhilfe-schweiz.ch, www.profamilia.ch, www.violencequefaire.ch.
Es wurde nachgewiesen, dass das Virus auf einigen Oberflächen, wie beispielsweise Edelstahl oder Kunststoff, mehrere Tage überleben kann. Besteht bei Kontakt mit diesen Oberflächen eine Ansteckungsgefahr?
Man kann eine Infektionsquelle nicht ausschliessen. Wenn man nach Hause zurückkommt: nichts berühren bevor man nicht die Hände gewaschen hat. Alles was mit der Aussenwelt in Kontakt geraten ist, sollte man waschen, Seifenwasser genügt. Wenn man Oberflächen berührt, sollte man sich die Hände reinigen bevor man etwas anderes tut.
Wie sieht die Situation bei Lebensmitteln aus?
Eine Übertragung des neuen Coronavirus durch Lebensmittel auf den Menschen ist bis jetzt nicht bekannt. Wenn Sie ganz sicher sein wollen: Waschen und erhitzen Sie die Lebensmittel gut.
Wie schützt man sich vor einer Infektion über belastete Oberflächen?
Das Virus kann auf Oberflächen und Gegenständen haften bleiben, aber momentan liegen keine exakten Erkenntnisse vor, wie lange die Viren auf verschiedenen Oberflächen ansteckend bleiben. Wichtig: Reinigen Sie regelmässig Gegenstände oder Oberflächen, die Sie häufig berühren und waschen sie die Hände wenn sie Haltestangen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder den Griff am Wägeli im Einkaufsladen, Kreditkarten und Geld berührt haben. Verwenden Sie dazu ein normales Reinigungsmittel.
Coronavirus: «Die Zeit ist da für die Telemedizin»
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Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.