
Ob beim Joggen, Biken oder im Teamsport – Sportverletzungen gehören zum Alltag vieler Schweizerinnen und Schweizer. Doch wie lassen sich Verletzungen vermeiden? Und welche Therapieformen sind heute besonders wirksam? Dr. med. Urs Hefti von der Swiss Sportclinic in Bern spricht im Interview über Prävention, Behandlungsmethoden und richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg in den Sport.
Herr Hefti, welche Sportverletzungen treten am häufigsten auf und welche Sportarten sind besonders risikoreich?
Insgesamt ereignen sich in der Schweiz pro Jahr beinahe eine halbe Million Sportverletzungen. Besonders viele Unfälle passieren beim Wandern, Bergsport sowie bei populären Spielsportarten wie Fussball, Handball oder Eishockey. Am häufigsten betroffen sind das Kniegelenk und das (obere) Sprunggelenk. Diese Verletzungen sind nicht nur schmerzhaft, sie verursachen auch erhebliche Kosten – rund 3 Milliarden Franken jährlich.
Erste Hilfe bei Verstauchung oder Zerrung: Die PECH-Regel
- P – Pause: Sofortige Belastung stoppen, um weitere Schäden zu vermeiden.
- E – Eis: Die verletzte Stelle kühlen (z.B. mit Kühlpack oder Eis, nicht direkt auf die Haut legen!), um Schmerzen und Schwellung zu reduzieren.
- C – Kompression: Einen elastischen Verband anlegen, um die Schwellung zu begrenzen und Stabilität zu geben.
- H – Hochlagern: Die verletzte Körperstelle über Herzhöhe lagern, um den Blutfluss zu regulieren und die Schwellung zu reduzieren.
Wie unterscheidet man eine Prellung von einem Knochenbruch?
Diese Unterscheidung ist auch für uns Ärztinnen und Ärzte nicht immer einfach – zumindest nicht anhand des ersten Eindrucks. Wenn jedoch eine unnatürliche Form oder Fehlstellung des Knochens oder Gelenks vorhanden ist, die Sportlerin oder der Sportler nicht mehr auftreten will oder sehr starke Schmerzen hat, ist wohl ein Bruch möglich. Das muss dann aber mit einem Röntgenbild überprüft werden.
Welche Fehler begehen Sportler häufig nach einer Verletzung?
Der häufigste Fehler ist die Ungeduld: Viele beginnen zu früh wieder mit dem Sport oder steigern die Belastung zu schnell. Dabei ist eine kontrollierte Rehabilitation wichtig, um erneute Verletzungen oder chronische Beschwerden zu vermeiden.
Wann sollte man sofort eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen?
Grundsätzlich sollte im Zweifelsfalle immer eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden. Sicher aber, wenn eine Fehlstellung vorliegt, man sehr starke Schmerzen hat oder die Extremität nicht mehr wie gewohnt gebrauchen kann. Vorsichtig sollte man auch sein, wenn man sogenannte neurologische Symptome (z.B. Gefühlsstörungen o.ä.) hat. Des Weiteren, wenn z.B. eine Wunde stark blutet oder sich eine kleinere Wunde nach ein paar Tagen rötet, pulsiert und stärker schmerzt. Das könnte dann ein Hinweis auf eine Infektion sein und muss fachärztlich beurteilt und bei Bedarf mit Antibiotika behandelt werden.
Gibt es bewährte Methoden zur Prävention von Sportverletzungen?
Eine einfache Regel gibt es nicht, da die Prävention sehr abhängig von der Sportart, den Sporttreibenden, der körperlichen Fitness, den äusseren Umständen wie beispielsweise der Umsetzung der Regeln (z.B. an einem Grümpelturnier), der Sportausrüstung, aber auch vom Wetter ist. Die Prävention ist somit eine komplexe Herausforderung.
Sicherlich sollte man versuchen, seine eigenen Fähigkeiten so realistisch wie möglich einzuschätzen. Und bei neuen Herausforderungen eine lange Vorbereitungs- und Trainingszeit einplanen, damit der Körper die neuro-muskulären Voraussetzungen und die Kraft hat, die Belastung auszuhalten. Auch sollte man nicht übermüdet oder sonstwie beeinträchtigt (Alkohol, sonstige Substanzen) Sport treiben. Und im Outdoorbereich gehört eine gute Planung und Einschätzung der Wetterverhältnisse dazu.
Wie wirkt sich eine frühzeitige Rückkehr zum Sport auf die Heilung aus?
Der Return-to-Sport muss gut geplant und durch Physiotherapeutinnen, Sportärzte und Trainerinnen begleitet werden. Eine zu frühe und zu intensive Rückkehr in den Sport führt meistens zu viel Frust, Rückschlägen in der Reha und allenfalls zu einem Wiederauftreten von Beschwerden und – im schlimmsten Fall – einem noch längeren Ausfall.
Welche Rolle spielen Physiotherapie und Reha nach Sportverletzungen?
Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle im Rahmen der Rehabilitation. Sie begleitet die Sportlerin oder den Sportler eng und zeitlich intensiv, erkennt Fortschritte und hat aufgrund des regelmässigen Kontakts zur Patientin oder zum Patienten die Möglichkeit, den Weg zurück zum Sport ideal zu steuern.
Wie sollte ein Notfallkit für Sportveranstaltungen ausgestattet sein?
Das hängt von der Infrastruktur und dem Team vor Ort der Veranstaltung ab. Bei ausgebildetem medizinischem Personal und einem guten Zugang zum Gesundheitswesen müssen die Erste-Hilfe-Massnahmen gewährleistet sein und ideal auch Schmerzen sachgerecht therapiert werden können.
Welche modernen Behandlungsmethoden gibt es für Sportverletzungen?
Neu in der Behandlung von Sportverletzungen ist sicher die Therapie mit Eigenblut, z.B. Platelet-Rich Plasma (PRP). Das Ziel dieser Therapie mit körpereigenem Blut ist es, die vorhandenen Selbstheilungsmechanismen ideal zu aktivieren und eine rasche Heilung zu unterstützen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen wie Sportmedizinerinnen, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlerinnen und Trainern ein Muss, um auch in der Reha Erfolg zu haben.