Technologie trifft auf Gesundheit: Fitness-Tracker und Co. als Gamechanger in der Gesundheitsvorsorge

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Wearables
Wearables
Quelle: TCS MyMed

Fitness-Tracker und tragbare Technologien sind längst mehr als nur Helfer im Alltag – sie spielen eine immer grössere Rolle in der Gesundheitsvorsorge und der Prävention. Prof. Dr. Johannes Scherr, Chefarzt des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Universitätsklinik Balgrist, erklärt im Interview, wie Wearables die Medizin verändern und welche Vorteile sie für Patientinnen und Patienten bringen.

Herr Scherr, wie haben Technologien wie Fitness-Tracker die Gesundheitsvorsorge verändert und welche Vorteile bringen sie für die Nutzenden?
Fitness-Tracker und ähnliche Technologien sind durch ihre kompakte Bauweise enorm vielseitig geworden. Früher war für die Herzüberwachung ein grosses EKG-Gerät erforderlich, während heute kleine Wearables wie Smartwatches ähnliche Funktionen übernehmen können. Das hat die Erkennung von Herzrhythmusstörungen oder anderen Auffälligkeiten stark vereinfacht. Patientinnen und Patienten können solche Geräte eigenständig nutzen, um ihre Vitalwerte zu überwachen, und bei Abweichungen direkt ihre Ärztin oder ihren Arzt kontaktieren.

Welche weiteren Fortschritte haben diese Geräte gemacht?
Neben der Grösse haben sich die Messmethoden stark verbessert. Geräte können mittlerweile nicht nur Herzfrequenz und Aktivität messen, sondern auch komplexere Parameter wie Blutdruck, Sauerstoffsättigung oder Schlafmuster analysieren. Diese präziseren Daten helfen den Nutzenden dabei, ein besseres Gesundheitsbewusstsein zu entwickeln, was oft langfristig zu einem gesünderen Verhalten führt. Studien zeigen, dass solche Technologien in Kombination mit Motivationselementen wie Schrittzielen eine nachhaltige Verbesserung des Lebensstils bewirken können.

Welche Vitalparameter lassen sich am zuverlässigsten messen und wo besteht Optimierungsbedarf?
Die zuverlässigsten Messungen betreffen Aktivität, Herzfrequenz (insbesondere mit einem Brustgurt) und Körpertemperatur. Diese Werte stimmen meist gut mit klinischen Messungen überein.

Es gibt jedoch noch Optimierungsbedarf, besonders bei der Herzfrequenzmessung am Handgelenk, wo die Genauigkeit je nach Bewegung oder Sitz des Geräts um bis zu 10 Prozent schwanken kann. Bei intensiven Aktivitäten, wie beim Sport, kann diese Abweichung die Trainingsgenauigkeit beeinträchtigen, weshalb für präzise Messungen weiterhin Brustgurte empfohlen werden. Auch bei der Blutdruckmessung sind tragbare Geräte nützlich, jedoch nicht so exakt wie klassische Blutdruckmanschetten.

Gibt es Produkte, welche die Messungen in Zukunft noch besser machen könnten?
Ein weiteres interessantes, aber noch nicht ausgereiftes Gebiet ist die Verwendung intelligenter Textilien, wie T-Shirts mit EKG-Messung. Diese Technologie könnte in Zukunft weiter verbessert werden, um genauere Ergebnisse zu liefern. In Summe bieten tragbare Geräte nützliche, kontinuierliche Messungen, die besonders für individuelle Gesundheitsverläufe wichtig sind, aber nicht die Präzision klassischer medizinischer Geräte erreichen.

Wie können digitale Helfer chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck vorbeugen?
Fitness-Tracker spielen eine grosse Rolle in der Prävention, indem sie Menschen zu mehr Bewegung motivieren. Sie setzen einfache, aber wirkungsvolle Ziele, wie eine bestimmte Anzahl von Schritten pro Tag. Regelmässige Bewegung wirkt sich nachweislich positiv auf den Blutdruck und die Insulinsensitivität aus, was besonders bei Diabetes und Bluthochdruck hilfreich ist. Zudem geben die Geräte Feedback in Echtzeit, was hilft, die Motivation aufrechtzuerhalten. In Kombination mit ärztlicher Beratung können sie so die Entstehung oder das Fortschreiten chronischer Erkrankungen bremsen.

Tragbare Technologien können durchaus sinnvolle Helfer sein, aber man sollte ihnen nicht blind vertrauen. Es ist wichtig, sie als Unterstützung zu sehen und nicht alles in ihre Hände zu legen.
Prof. Dr. Johannes Scherr, Universitätsklinik Balgrist

Sehen Sie ein Potenzial, Menschen durch diese Geräte zu einem nachhaltig gesünderen Lebensstil zu motivieren?
Absolut. Wearables bieten eine visuelle Darstellung von Gesundheitsdaten, die sehr motivierend wirken kann. Das Verständnis für die eigene Gesundheit steigt, wenn man sieht, wie Schritte, Herzfrequenz oder Kalorienverbrauch den Alltag beeinflussen. Ausserdem wirken Tracker wie ein externer Anstoss, der hilft, den inneren Schweinehund zu überwinden. Evolutionär war es sinnvoll, Energie zu sparen, aber heute profitieren wir gesundheitlich von Bewegung. Solche Geräte helfen, diesen Wandel bewusst und praktisch umzusetzen – Schritt für Schritt.

Was sind die Risiken, wenn Gesundheitsdaten ohne ärztliche Interpretation falsch verstanden werden?
Ein grosses Risiko ist die Fehlinterpretation der Daten. Beispielsweise könnte ein EKG auf der Uhr keine Auffälligkeiten zeigen, obwohl die Nutzerin Symptome wie Schwindel verspürt. Das könnte dazu führen, dass sie sich in falscher Sicherheit wiegt. Umgekehrt könnten leichte Abweichungen bei ansonsten gesunden Menschen unnötige Sorgen auslösen. Solche Geräte sind daher wertvolle Hilfsmittel, sollten aber immer ergänzend zu einer ärztlichen Beratung genutzt werden. Wichtig ist, die Grenzen dieser Technologien zu kennen.

Wie können die Daten von Wearables sinnvoll in Behandlungspläne eingebunden werden?
Die Daten von Wearables können in vielen Bereichen der Medizin unterstützend wirken. Ein Beispiel ist die Überwachung der Aktivität von Patientinnen und Patienten, die ihre Aktivität steigern müssen. Auch in der Physiotherapie helfen digitale Tools, indem sie Patientinnen und Patienten anleiten, Übungen korrekt auszuführen. Dadurch wird die Behandlung effektiver und die Compliance, also das Mitwirken der Betroffenen, verbessert sich. Wearables ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten, Fortschritte im Alltag zu sehen und Behandlungspläne entsprechend anzupassen, was die langfristigen Ergebnisse verbessert.

Datenschutz ist ein sensibles Thema – wie können Nutzende ihre Gesundheitsdaten besser schützen?
Ein bewusster Umgang mit Daten ist hier entscheidend. Nutzende sollten prüfen, wo ihre Daten gespeichert werden – auf dem Gerät, in der Cloud oder bei Drittanbietern – und wer Zugriff darauf hat. Je mehr Daten geteilt werden, desto grösser ist das Risiko, dass sie für Marketingzwecke genutzt oder in falsche Hände geraten. Es liegt letztlich an den Nutzenden, zwischen Komfort und Datenschutz abzuwägen und klare Einstellungen vorzunehmen, um die Kontrolle über die eigenen Gesundheitsdaten zu behalten.

Wie prägen tragbare Technologien die Medizin in Zukunft, etwa bei der frühzeitigen Erkennung von Gesundheitsproblemen?
Tragbare Technologien spielen schon heute eine zentrale Rolle in der personalisierten Medizin und werden in Zukunft noch bedeutender. Aktuell erkennen Wearables bereits auffällige Muster, etwa bei Herzrhythmusstörungen, und können bei der Überschreitung bestimmter Schwellenwerte, wie einer zu hohen Herzfrequenz, Alarm auslösen. Im Leistungssport nutzen Athletinnen und Athleten und ihre Coaches diese Technologien beispielsweise zur Überwachung des Ruhepulses. Ein plötzlicher Anstieg kann darauf hindeuten, dass ein Infekt im Anmarsch ist oder dass der Körper durch Überbelastung gefährdet ist. Auch die Messung der Herzfrequenzvariabilität wird zunehmend als ein Marker für die Gesundheit des autonomen Nervensystems eingesetzt – sie zeigt, wie gut das Gleichgewicht zwischen Sympathikus (Fluchtmodus) und Parasympathikus (Ruhenerv) funktioniert.

Die Stärke dieser Technologien liegt in der sogenannten «Pattern Recognition», also der Fähigkeit, aus einer grossen Menge an Daten abnormale Muster zu identifizieren. Das ist besonders nützlich, um individuelle Veränderungen zu erkennen, etwa bei Herzfrequenz, Blutdruck oder anderen Vitalparametern. Dadurch lassen sich erste Anzeichen von Erkrankungen oder Überbelastungen oft schon Tage vor dem tatsächlichen Auftreten feststellen.

 

Prof. Dr. Johannes Scherr

Chefarzt des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Universitätsklinik Balgrist

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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