Definition
Werden durch den Konsum von Alkohol deutlich sichtbare Veränderungen der psychischen und/oder physischen Reaktionen bewirkt, spricht man von Missbrauch.
Wird aus dem Missbrauch ein zwanghaftes Bedürfnis und das Angewiesensein auf bestimmte Substanzen, spricht man von Sucht.
Der Begriff "Sucht" wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch den Begriff der "Abhängigkeit" ersetzt. Es ist zu unterscheiden zwischen psychischer Abhängigkeit, d.h. das übermächtige und unwiderstehliche Verlangen, eine bestimmte Substanz wieder einzunehmen, und körperlicher Abhängigkeit, die durch Dosissteigerung und das Auftreten von Entzugserscheinungen gekennzeichnet ist.
Der Übergang von der psychischen zur physischen (körperlichen) Abhängigkeit ist fliessend. Wird die regelmässige Alkoholzufuhr plötzlich unterbrochen (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt), kommt es zu typischen Entzugssymptomen wie Unruhe, Tremor, Übelkeit und Erbrechen. In schlimmen Fällen kann es auch zu schweren Krampfanfällen und schliesslich zum Alkoholdelir (Delirium tremens) kommen, das sich neben Tremor und Übelkeit in Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äussern kann.
Alkoholiker sind exzessive Trinker, deren Abhängigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht hat, dass sie deutliche (geistige) Störungen und Konflikte in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit aufweisen.
Sie haben Probleme in ihren mitmenschlichen Beziehungen und ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen; oder sie zeigen Prodome (Vorläufer) einer solchen Entwicklung.
Formen
Die Alkoholkrankheit entwickelt sich in verschiedenen Phasen, diese können durch bestimmte Symptome erkannt werden. Unzählige Alkoholkranke werden zu spät oder überhaupt nicht einer Behandlung zugeführt. Das ist oft mangelnder Kenntnis zuzuschreiben. Grundsätzlich ist es aber auch falsch, jeden Alkoholgenuss Erwachsener als gefährdend anzusehen.
Bei Jugendlichen allerdings sind erste Alkoholexzesse ernstzunehmende Hinweise dafür, dass mit der Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen oder seiner Umwelt etwas nicht stimmt. Eine wichtige Hilfe für die Kenntnis des Gefährdungs- und Krankheitsverlaufes bei Alkoholkranken sind die Forschungsergebnisse von Prof. E. M. Jellinek über die Phasen der Alkoholsucht (1951).
Formen und Typen des Alkoholismus
Alpha-Trinker
Sie sind Erleichterungstrinker, die mit Alkohol ihre Probleme zu lösen versuchen. Sie sind zwar einer fortschreitenden Abhängigkeit ausgesetzt, können aber ihren Alkoholkonsum unter Kontrolle halten.
Beta-Trinker
Sie sind Gelegenheitstrinker ohne eine eingetretene Abhängigkeit. Bei ihnen treten vor allem Beschwerden durch Folgekrankheiten auf, z.B. Leberschäden, Magenleiden (Gastritis).
Gamma-Trinker
Sie sind Suchtkranke, sie sind die eigentlichen Alkoholiker, die vom Alkohol seelisch und körperlich abhängig sind. Sie haben über ihren Alkoholkonsum keine Kontrolle mehr.
Delta-Trinker
Sie sind "Spiegeltrinker", sie können ihren Alkoholkonsum relativ lange unter Kontrolle halten. Sie sind zwar körperlich, aber nicht seelisch abhängig. Bei schleichender Dauerintoxikation sind sie eher unauffällig.
Epsilon-Trinker
Sie werden als "Quartalssäufer" bezeichnet. Nach wochenlanger Abstinenz trinken sie tagelang völlig unkontrolliert.
Meistens handelt es sich bei den Betroffenen um Mischform-Typen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können
Symptome (Beschwerden)
Grundsätzlich schädigt Alkohol in genügend hoher Konzentration jede Körperzelle, weil er den Zellen Wasser entzieht. Es kann hier nur auf die gravierendsten Schäden eingegangen werden.
Gehirn
Bei jedem Rausch sterben Gehirnzellen ab. Bei ständigem Konsum kommt es zu einer allmählichen Schrumpfung des Gehirns (Atrophie). Dies bleibt lange Zeit ohne Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit, da wir ca. 100 Milliarden Hirnzellen haben. Die Aufgaben der abgestorbenen Zellen werden von "Reservezellen" übernommen, die diese Aufgaben jedoch erst "lernen" müssen. Der Vorrat an Reservezellen wird durch Alkoholtrinken systematisch verringert. Hirnschäden durch Alkohol sind die häufigsten und bedeutendsten, sie sind viel ernster zu nehmen als z.B. Leberschäden.
Mundschleimhaut/Kehlkopf
Schon 1 Liter Bier pro Tag erhöht das Risiko für Krebs der Mundschleimhaut, Kehlkopfkrebs und Speiseröhrenkrebs, insbesondere in Verbindung mit Rauchen.
Herz/Kreislauf
Entgegen weitläufiger Meinung, Alkohol reduziere das Infarkt-Risiko, begünstigen schon relativ geringe Mengen Alkohol bei täglichem Konsum die Entwicklung eines hohen Blutdruckes. Erhöhter Blutdruck ist wiederum ist ein Risikofaktor für Schlaganfälle. Ausserdem erhöht Alkohol die Blutfette (sog. Triglyzeride) und führt wegen des hohen Kaloriengehaltes zu Übergewicht.
Magen
Besonders bei regelmässig Trinkenden und bei Alkoholabhängigen besteht fast immer eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis), die zu Magenblutungen führen kann mit "kaffeesatzartigem" Erbrechen oder Erbrechen von hellrotem Blut aus alkoholbedingten Krampfadern der Speiseröhre. Magengeschwüre sind nicht selten durch die Wechselwirkung Alkohol-Stress-Alkohol. Schmerzmittel wie "Aspirin" oder "Alka Seltzer" erhöhen das Risiko noch zusätzlich.
Bauchspeicheldrüse
Folgen des langjährigen Alkoholkonsums sind Bauchspeicheldrüsenentzündung, Störung der Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse (Diabetes entsteht) und Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Leber
Die Leber ist das chemische Labor unseres Körpers. Sie muss Giftstoffe und sog. "harnpflichtige Stoffe" umwandeln und abbauen. Wird ihre Leistungskapazität ständig überschritten verlaufen die Schäden über folgende drei Stadien:
1. Fettleber
Fett als Abbauprodukt des Alkohols kann nicht mehr vollständig abtransportiert werden und wird zwischen den Leberzellen eingebaut. Das Volumen der Leber kann sich verdoppeln. Da die Leber keine Schmerzzellen hat, bleibt dies oft unbemerkt, kann aber an den erhöhten Gamma-GT-Werten erkannt werden (normal ggt 8-28, erhöht über 30 bis über 100-200), der Arzt kann die Vergrösserung ertasten. Bei Abstinenz bildet sich die Fettleber vollständig zurück.
2. Leberentzündung
Es besteht eine grosse Bandbreite von relativer Beschwerdelosigkeit über Gelbsucht (Hepatitis) bis zum lebensbedrohlichen Leberversagen durch das giftige Abbau-Zwischenprodukt Acetaldehyd. Leberzellen sterben ab und werden nicht wieder ersetzt. Anstieg mehrerer Leberwerte (sog. Transaminasen). Bei Abstinenz Stillstand, jedoch keine vollständige Heilung.
3. Leberzirrhose
Durch Weitertrinken entwickelt sich aus einer Leberentzündung eine Leberzirrhose (Leberschrumpfung) mit massiven Absterben von Leberzellen und Ersatz durch hartes Narbengewebe, Leberschrumpfung. Weitere Folgen: Krampfader-Bildung in der Speiseröhre (Blutsturz beim Aufplatzen), Wasserstau, dadurch Entwicklung eines "Wasserbauches", Selbstvergiftung des Körpers durch Ammoniak im Blut, qualvoller Tod. Einzige Überlebenschance: Strikte Abstinenz! (ca. 18'000 Tote jährlich durch Zirrhose!)
Nerven
Als Zellgift schädigt Alkohol direkt das Nervenmark. Durch den bei Abhängigen häufigen Vitamin-B-Mangel kommt es ausserdem zu Schädigungen der Nervenscheide. Folge: Polyneuropathie, Schmerzen in den Beinen und Oberarmen, Wadenkrämpfe, Kribbeln oder Ausfall des Hautgefühls, Unsicherheit beim Gehen, Lähmungserscheinungen. Diese Schäden können sich bei Abstinenz erst nach vielen Monaten zurückbilden. Einzige Therapie: Gabe von Vitamin-B-Präparaten.
Weitere Schädigungen
Auch Lunge, Darm, Haut, Knochen und Gelenke werden geschädigt.
Therapie (Behandlung)
Die Therapie muss individuell an den Alkoholkranken angepasst werden. Den Rahmen bildet ein mehrphasiges Modell:
1. Kontakt-Phase
Meist wendet sich der hilfesuchende Patient an einen niedergelassenen Arzt oder an eine Beratungsstelle. Die Situation des Patienten, seine Einsicht und Motivation zum Alkoholentzug werden abgeklärt. Die erfolgreiche Therapie setzt voraus, dass der Alkoholabhängige selbst gesund werden will. Weiter muss abgewogen werden, ob mit Entzugserscheinungen zu rechnen ist und ob die Behandlung stationär oder ambulant durchgeführt werden soll.
2. Entgiftungs-Phase
Unter ärztlicher Kontrolle (zumeist stationär) wird beim Vorliegen einer körperlichen Abhängigkeit innerhalb von etwa 10 Tagen eine Entgiftung durchgeführt. Oft ist eine medikamentöse Unterstützung dafür notwendig.
Um die Gefahr von Rückfällen (rund 50% werden innerhalb der ersten 3 Monate rückfällig) zu verringern, wird die Therapie in den ersten Monaten teilweise auch medikamentös unterstützt. Dabei wird vor allem der Wirkstoff Acamprosat eingesetzt, der das Verlangen nach Alkohol unterdrücken soll.
3. Entwöhnungs-Phase
Die stationäre bzw. ambulante Entwöhnung umfasst auch eine Beschäftigungstherapie und soziale Betreuung. Zudem leisten Psychologen in Einzel- und Gruppengesprächen Aufklärungsarbeit, um den Patienten zu helfen trocken" zu bleiben. Wichtig ist ebenso das Miteinbeziehen der Familienangehörigen.
Langfristig kommen alkoholabhängige Menschen aber nicht darum herum, die persönlichen Probleme anzugehen, die zu ihrer Alkoholabhängigkeit geführt haben. Bis das wirklich geschafft ist, können Jahre vergehen.
4. Rehabilitations-Phase
Nach der Entwöhnungsphase wird meist eine gewisse Stabilität erreicht. Der Patient ist überzeugt, abstinent bleiben zu können. Zurück in der vertrauten Umgebung wird er aber oft von den Problemen eingeholt, die zur Alkoholsucht geführt haben. Langfristig kommen alkoholabhängige Menschen nicht darum herum, diese Probleme anzugehen. Bis das wirklich geschafft ist, können Jahre vergehen. Oft bedarf es eines lebenslangen Engagements.
In der Allgemeinbevölkerung werden die Erfolge einer Alkoholikerbehandlung meistens als sehr gering angenommen. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen, aber positiveren Ergebnissen. Nach einer abgeschlossenen Alkoholtherapie (Entwöhnung) sind ein halbes Jahr später noch ca. 65% trocken, nach 1 1/2 Jahren leben noch ca. 50 bis 60% alkoholabstinent.
Mögliche Komplikationen
Delirium
Bei plötzlichem Absetzen des Alkohols (z.B. nach einem Unfall in der Klinik) kann es nach 2-6 Tagen zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen. Das sog. Alkoholdelir (Delirium tremens) ist somit eine besonders schwere Form von Entzugserscheinungen. Merkmale: Halluzinationen ("weisse Mäuse", Einbildung von "Stimmen"), Unruhe, d.h. aufgeregt, orientierungslos, "nestelnde Bewegungen", Gefahr von Kreislaufkollaps. Ca. 20% der Delirien verlaufen tödlich.
Krampfanfälle
Die Anfälle gleichen denen der Epilepsie. Sie treten ebenfalls häufig bei plötzlichem Entzug (bei 20-30% der Abhängigen) auf, allein oder als Begleiterscheinung des Deliers. Es gibt auch "nasse" Krämpfe während der Trinkphasen. Ist einmal ein Krampfanfall aufgetreten, bleibt die Neigung dazu chronisch. Bei jedem epileptischen Anfall kommt es zu einem Massensterben von Gehirnzellen.
Korsakow-Syndrom
Damit bezeichnet man die schwerste Form der Gehirnschädigung durch Alkohol. Benannt wurde sie nach dem russischen Psychiater Sergei Korsakow, der diesen Zustand erstmals 1854 beschrieb. Durch das Absterben bestimmter Gehirnregionen erleidet der Betroffene einen weitgehenden Gedächtnis- und Orientierungsverlust. Das heisst, für ihn gibt es im Extremfall überhaupt kein "gestern" und kein "morgen" mehr.
Er weiss nicht mehr, wer oder wo er ist, und kann manchmal auch engste Bezugspersonen nicht wiedererkennen. Dieser Zustand ist in der Regel durch Abstinenz kaum noch heilbar. Die meisten Korsakow-Patienten werden für immer auf einer geschlossenen Psychiatriestation untergebracht. Falls ein Alkoholiker nicht rechtzeitig aufhört zu trinken oder vorher stirbt, ist das Korsakow-Syndrom der zwangsläufige Endzustand.
Rückfälle sind häufig
Die Entwöhnungsphase dauert mehrere Wochen bis Monate. In dieser Phase trainieren die Betroffenen, unterstützt von den Fachleuten einer Beratungsstelle, das Leben ohne Alkohol.
Rückschläge sind während der Entwöhnungsphase vorprogrammiert. Wie bei anderen Abhängigkeiten auch, schaffen Alkoholkranke den Ausstieg meistens nicht auf Anhieb.
Häufen sich die Rückfälle in der ambulanten Therapie, ist der stationäre Aufenthalt in einer Spezialklinik empfehlenswert. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt zwischen drei und zwölf Monaten. Mittlerweile gibt es in der Schweiz auch halbstationäre Einrichtungen.
In der Behandlung von Alkoholismus geht es nicht ausschliesslich um den Entzug.
Psychotherapeutische Einzel- und Gruppenbetreuung, Ehe- und Familientherapie sowie Arbeits- und Beschäftigungstherapie helfen diejenigen persönlichen und sozialen Defizite zu beseitigen, die die Betroffenen immer wieder in die Sucht zurücktreiben.
Vorbeugemassnahmen (Präventionsmassnahmen)
Selbsthilfe
Selbsthilfegruppen, wie beispielsweise die Anonymen Alkoholiker bieten sachkundige Unterstützung und können aufgrund des Erfahrungsaustausches der Mitglieder zum dauerhaften Entzug führen. Es gehört ein starker Wille dazu, dauerhaft abstinent zu bleiben. Die Versuchung ist gross: Fast täglich gibt es Ereignisse, die mit Alkohol begossen werden. Aber: Wer einmal abhängig war, ist nie mehr in der Lage kontrolliert Alkohol zu konsumieren.