Natürlich ist zurzeit wegen Corona nicht an Reisen zu denken. Aber wie wird es nach der Krise aussehen? Wer werden die Gewinner und Verlierer der Krise sein, und was könnte sich ändern? TCS MyMed hat Dieter Zümpel, CEO von DER Touristik Suisse, zu der u.a. Kuoni sowie verschiedene Schwestermarken gehören, zur Zukunft des Reisens befragt.
Im Moment liegt die Reisebranche in Trümmern. Wann kann man wieder reisen?
Diesen Entscheid trifft nicht in erster Linie die Reisebranche, ihn treffen erstmal Behörden auf der Grundlage von Empfehlungen von Gesundheitsfachleuten. Und das ist auch richtig so, schliesslich ist Gesundheit wichtiger als Reisen. Aber natürlich möchten wir Kunden sobald wie möglich wieder Ferienreisen ermöglichen und damit auch Arbeitsplätze touristischer Akteure auf der ganzen Welt und in der Schweiz erhalten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass in den Sommermonaten wenigstens ein Teilangebot zur Verfügung stehen wird.
Ist das Reisen wie bisher in Zukunft überhaupt noch denkbar?
Auch das hängt davon ab, welche Fortschritte im Umgang mit Corona in welcher Frist erzielt werden. Dass grundsätzlich weniger gereist werden wird, glaube ich nicht. Im Gegenteil rechne ich nach der Bewältigung der Krise erstmal mit einem gewissen Nachholeffekt, sowohl bei Ferien als auch bei Geschäftsreisen. Für die Aufrechterhaltung entsprechender Angebote ist unsere Branche aber auf die Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen.
Welche Bereiche werden Ihrer Meinung nach Gewinner sein?
Löst das Virus nachhaltig Ängste aus, schliesse ich nicht aus, dass die Relevanz sogenannter Massenangebote zugunsten weniger frequentierter und gleichwohl sehenswerter Zielgebiete abnehmen wird. Diese sind längst Bestandteil unserer Reiseprogramme. Und dann hoffe ich schon, dass man sich auch nach der Krisenzeit erinnern wird, welche Vorteile die Buchung beim Reiseveranstalter beziehungsweise bei einem Reisebüro hat. Unsere Kunden stehen jetzt in jeglicher Hinsicht besser da als jene, die ihre Reise zum Beispiel online selbst zusammengestellt haben.
Müssen Mietwagenfirmen und Carsharing-Unternehmen auch einen Einbruch befürchten?
Ja. Ihnen fehlen die Kunden, die nicht nur auf Reisen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Es gibt aktuell keinen touristischen Akteur, der nicht leidet – sowohl in der Schweiz, als auch in den weltweiten Destinationen. Wir reden von Reiseunternehmen, Fluggesellschaften, Hotels, Reisebüros, Mietwagenfirmen und anderen Leistungserbringern.
Und wie sieht es mit Kreuzfahrten aus?
Viele Länder sind abgeschottet, entsprechend können auch keine Kreuzfahrtschiffe mehr anlegen. Folglich setzen Reedereien ihre Fahrten jetzt aus, so wie Fluggesellschaften ihre Flüge nahezu komplett eingestellt haben. Weil die Vorausbuchungsfrist von Kreuzfahrten aber vergleichsweise lange ist, erleben wir in diesem Bereich keinen kompletten Buchungseinbruch. Der Verkauf von Schifffahrten für das nächste und übernächste Jahr bewegt sich nahezu auf Vorjahresniveau. Sollte das Corona-Virus in absehbarer Zeit unter Kontrolle sein, können wir auch für das laufende Jahr noch Angebote auf den Markt bringen.
Werden die Menschen künftig mehr mit dem Zug oder Auto verreisen?
Sogenannte erdgebundene Anreisen dürften langfristig an Marktanteilen gewinnen, aber vermutlich mehr infolge des Umweltschutzgedankens denn wegen Corona. Denn die Gefahr einer Infektion auf Reisen nur anhand des Transportmittels abzuschätzen, scheint mir zu kurz gegriffen.
Wie reagieren die Reiseunternehmen auf die aktuelle Lage und wie gehen Sie und Ihre Firma mit der Situation um?
Erstens setzen wir in Zusammenarbeit mit anderen Branchenakteuren und dem EDA alle Hebel in Bewegung, für Kunden in Zielgebieten eine zeitnahe Heimreise zu organisieren. Das gelingt uns in den meisten Fällen trotz rapide abnehmendem Flugangebot auch. Zweitens stornieren wir die gebuchten Reisen der kommenden Wochen, weil sie nicht mehr durchführbar sind. Und drittens sorgen wir dafür, dass die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens erhalten bleibt. Kurzarbeit ist dabei das wichtigste Instrument, aber nur eines von vielen zur Kosteneinsparung.
Wo sehen sie aktuell Handlungsbedarf bzw. welches sind Ihre Forderungen an die Politik/den Bund?
Einige Forderungen, die die Branche unter dem Dach des Schweizer Reiseverbandes an den Staat gerichtet hat, sind in kurzer Zeit erfüllt oder deren Umsetzung zugesagt worden. Dafür sind wir dankbar. Über andere für uns überlebenswichtige Unterstützungsleistungen ist noch nicht beschieden worden. Am wichtigsten für uns alle ist, dass den berechtigten Rückerstattungsforderungen von Kunden mit Gutscheinen nachgekommen werden darf. Viele europäische Länder haben diese Massnahme zum Schutz der Liquidität der Reisebranche längst beschlossen.
Coronavirus: Wann kann man wieder reisen?
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Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.