Wenn Speichel unkontrolliert aus dem Mund läuft oder sich unangenehm im Rachen sammelt, spricht man von vermehrtem Speichelfluss. Umgangssprachlich ist oft vom «Sabbern» die Rede. Medizinisch gibt es unterschiedliche Begriffe: Hypersalivation bezeichnet eine tatsächlich erhöhte Speichelproduktion, während Sialorrhö den unkontrollierten Austritt von Speichel meint – meist, weil der Schluckreflex oder die Mundkontrolle gestört ist. Beide Formen können isoliert oder kombiniert auftreten.
- Definition
- Symptombild
- Ursachen – Welche Krankheiten können dahinterstecken?
- Begleitsymptome / Komplikationen
- Selbsthilfe & Erste-Hilfe-Massnahmen
- Notfall-/Alarmzeichen
- Wann zum Arzt und welcher Arzt ist zuständig?
- Abklärung beim Arzt (Diagnostik)
- Ärztliche Behandlung / Therapieoptionen
- Verlauf & Prognose
- Vorbeugung / Prävention
Definition
Vermehrter Speichelfluss liegt vor, wenn mehr Speichel produziert wird als üblich oder wenn normaler Speichel nicht richtig abgeschluckt werden kann. Die Folge: Speichel läuft aus dem Mund oder sammelt sich unangenehm im Hals. Das kann auf eine gestörte Schluckfunktion hinweisen – ein Problem, das oft bei neurologischen Erkrankungen auftritt. Wichtig ist: Auch bei normaler Speichelmenge kann das Gefühl entstehen, «zu viel» im Mund zu haben – zum Beispiel bei eingeschränkter Lippen- oder Zungenbeweglichkeit.
Steckbrief:
- Leitsymptom: Unkontrolliertes Austreten oder Ansammeln von Speichel im Mund-/Rachenraum
- Häufigkeit: Besonders häufig bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Zerebralparese, in der Schwangerschaft oder als Nebenwirkung von Medikamenten
- Alarmzeichen: Husten, Atemnot, Schluckstörungen, Fieber oder plötzlich auftretende neurologische Beschwerden
Symptombild
Das offensichtlichste Symptom ist das sichtbare «Sabbern» – Speichel läuft aus dem Mund oder tropft auf Kleidung, Kissen oder Dokumente. Andere Betroffene verspüren ein ständiges «Vollsein» im Mund, häufiges Schlucken, Hustenreiz oder nächtliches Verschlucken. Auch die Stimme kann gurgelnd klingen. Neben körperlichen Beschwerden ist der Leidensdruck häufig sozial und psychisch – Unsicherheit, Scham oder Rückzug sind keine Seltenheit.
Ursachen – Welche Krankheiten können dahinterstecken?
Vermehrter Speichelfluss ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom.
Häufige Ursachen sind:
- Neurologische Erkrankungen: Parkinson, ALS, Schlaganfall, Zerebralparese
- Nebenwirkungen von Medikamenten: z.B. bestimmte Antidepressiva, Antipsychotika oder Alzheimer-Mittel
- Infektionen im Mund-Rachen-Bereich: z.B. Mandel- oder Speicheldrüsenentzündungen
- Zahnprobleme: Karies, schlecht sitzender Zahnersatz, Zahnen bei Kindern
- Schwangerschaft: Vor allem im ersten Drittel
- Reflux oder Verdauungsprobleme
- Vergiftungen: z.B. durch Schwermetalle oder Pflanzenschutzmittel
Nicht immer liegt eine Überproduktion von Speichel vor – oft ist die Schluckfunktion gestört oder die Lippen schliessen nicht richtig.
Begleitsymptome / Komplikationen
Häufig treten weitere Beschwerden auf:
- Schluckstörungen: Häufiges Verschlucken, Husten oder Klossgefühl im Hals
- Sprechstörungen: Unklare Aussprache durch Speichelansammlung
- Mundgeruch und Hautreizungen: Besonders bei chronischem Speichelfluss
- Erhöhte Infektanfälligkeit: Speichel kann in die Lunge geraten (Aspiration) und dort Entzündungen verursachen
- Soziale und psychische Belastungen: Rückzug, Unsicherheit, Depressionen
- Austrocknung oder Gewichtsverlust: Bei ständigem Ausspucken oder gestörter Nahrungsaufnahme
Selbsthilfe & Erste-Hilfe-Massnahmen
Betroffene können im Alltag einiges tun, um Beschwerden zu lindern:
- Bewusst schlucken – regelmässiges Schlucken trainieren, z.B. durch zuckerfreie Bonbons
- Ausreichend trinken – Wasser oder Kräutertee verdünnt den Speichel
- Ernährung anpassen – Reizstoffe meiden, trockene Lebensmittel (z.B. Zwieback) nutzen
- Mundhygiene und Hautpflege – um Infektionen und Reizungen zu vermeiden
- Aufrechte Haltung einnehmen – besonders beim Essen und Trinken
- Hausmittel – z.B. Salbeitee (zusammenziehend), Ingwer oder Pfefferminze zur Anregung des Schluckens
Bei Schlucknotfällen oder Erstickungsgefahr: Sofort Notruf 112 wählen!
Notfall-/Alarmzeichen
Sofortige ärztliche Hilfe ist nötig bei:
- Husten oder Atemnot beim Schlucken
- Feuchte, gurgelnde Stimme, wiederkehrende Lungenentzündungen oder Fieber
- Starker Speichelfluss und neurologische Symptome (z.B. Lähmungen, Sprachstörungen)
- Bei Kindern: Fieber, Atemnot, Unfähigkeit zu schlucken (mögliche Epiglottitis)
Wann zum Arzt und welcher Arzt ist zuständig?
Ein Arztbesuch ist sinnvoll, wenn der Speichelfluss:
- Neu auftritt oder sich verschlimmert
- Den Alltag oder das soziale Leben stark beeinträchtigt
- Mit Schluck- oder Sprachstörungen einhergeht
- Bei Medikamenteneinnahme neu auftritt
- Bei Kindern über das normale Zahnen hinaus anhält
Erste Anlaufstelle: Hausarzt oder Kinderarzt. Je nach Ursache können folgende Fachärzte helfen:
- Zahnarzt
- Hals-Nasen-Ohren-Arzt
- Neurologe
- Phoniater/Sprachtherapeut
- Gastroenterologe (bei Reflux)
- Kieferorthopäde oder -chirurg
Abklärung beim Arzt (Diagnostik)
Der Arzt beginnt mit einem ausführlichen Gespräch: Wann tritt der Speichelfluss auf, wie stark ist er, gibt es Begleitsymptome? Anschliessend folgt eine körperliche Untersuchung von Mund, Gesicht und Speicheldrüsen.
Bei Verdacht auf eine Schluckstörung oder neurologische Erkrankung sind Spezialuntersuchungen notwendig, z.B.:
- Schluckdiagnostik (z.B. Endoskopie oder Röntgen-Breischluck)
- Bildgebung (Ultraschall, MRT, CT)
- Blutuntersuchungen, ggf. Abstriche oder Biopsien
Ziel ist es, die Ursache zu erkennen und eine geeignete Behandlung einzuleiten.
Ärztliche Behandlung / Therapieoptionen
Die Therapie hängt von der Ursache ab:
- Ursachenbehandlung: Infektionen, Zahnprobleme, Reflux oder Medikamentenwechsel
- Logopädie: Training von Mundmotorik und Schlucktechnik
- Medikamente:
- Anticholinergika (hemmen Speichelproduktion, z.B. als Tropfen, Pflaster)
- Botulinumtoxin (lokale Injektion in Speicheldrüsen – wirkt 3–6 Monate)
- Hilfsmittel: z.B. Mundplatten, Absauggeräte, bei Bedarf Hustenhilfen
- Chirurgie/Strahlentherapie: nur bei schweren Fällen und nach sorgfältiger Abwägung
- Tracheostomie (Luftröhrenschnitt): nur als letzte Massnahme bei starker Aspirationsgefahr
Verlauf & Prognose
Der weitere Verlauf hängt stark von der Ursache ab:
- Vorübergehend: Bei Infekten oder Schwangerschaft meist gute Prognose
- Chronisch: Bei stabilen neurologischen Störungen oft gut behandelbar
- Fortschreitend: Bei Erkrankungen wie Parkinson oder ALS nimmt der Speichelfluss meist zu – Therapie zielt auf Linderung und Komplikationsvermeidung
Unbehandelt kann ein vermehrter Speichelfluss zu ernsthaften Problemen führen. Eine frühzeitige Therapie kann die Lebensqualität deutlich verbessern.
Vorbeugung / Prävention
Komplett vermeiden lässt sich vermehrter Speichelfluss nicht immer. Folgende Massnahmen können helfen:
- Gute Mundhygiene: schützt vor Entzündungen
- Regelmässige Zahnarztbesuche
- Risikomedikamente mit dem Arzt besprechen
- Gesunde Ernährung und ausreichend trinken
- Kontakt mit Giftstoffen vermeiden
- Frühzeitige Behandlung von Grunderkrankungen
Bei neurologischen Erkrankungen ist eine enge Betreuung mit Logopädie und Schlucktherapie sinnvoll, um Verschlechterungen früh zu erkennen.