Eine Grippe verläuft nicht immer harmlos. Im Gegenteil: Manchmal führt sie zu schweren Komplikationen. Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Grippeimpfung.
Herr Exadaktylos, wer sollte sich impfen lassen?
Ältere, Kinder, Schwangere und Personen mit einem erhöhten Komplikationsrisiko bei einer Grippeerkrankung (chronische Krankheiten, geschwächtes Immunsystem etc.) sollten sich impfen lassen. Personen, welche in der Familie oder im Rahmen ihrer privaten oder beruflichen Tätigkeiten regelmässigen Kontakt mit Grippekranken haben, sollten sich ebenfalls impfen.
Also Menschen, die in Pflege- und Heilberufen arbeiten?
Richtig, aber auch Personen die in der Regel sehr starken Kontakt mit anderen Menschen haben. Auch Reisende, die sich während des europäischen Sommers auf der Südhalbkugel aufhalten, sollten an eine Impfung denken. Da dort Winter und Grippesaison ist.
Wer sollte sich nicht impfen lassen?
Personen mit einer Allergie auf Hühnereiweisse oder weitere Impfinhaltsstoffe.
Die Impfung wirkt nur für ein Jahr. Warum?
Weil sich die Viren ständig verändern. Die sind sehr clever. Diese verändern sich laufend, darum muss die Grippeimpfung jedes Jahr an die epidemiologische Situation angepasst werden. Der Schweizer Grippeimpfstoff enthält deshalb inaktivierte Grippeviren von verschiedenen Grippestämmen. Idealerweise sollte zwischen Mitte Oktober und Mitte November geimpft werden.
Wie sicher ist der Impfschutz?
Die Grippespezialisten müssen jedes Jahr voraussagen, wie sich der Grippevirus innerhalb eines Jahres entwickelt. Dies geschieht mit Hilfe von epidemiologischen Daten und Computerprogrammen. Aber grundsätzlich ist das wie eine Wettervorhersage in einem Jahr. Es ist sehr kompliziert. Die Wirksamkeit des Impfstoffs ist auch abhängig vom Alter und Immunsystem des geimpften Menschen (40 % bis 90 %). Die Grippeimpfung schützt aber weder vor einfachen Erkältungskrankheiten, noch vor Grippevirenstämmen, die nicht in der Impfung enthalten sind. Deshalb hört man häufig «ich habe mich geimpft und bin dennoch krank geworden». Richtig müsste es heissen: «Ich habe mich impfen lassen und bin gottseidank nicht so schwer krank geworden» oder «ich habe mich geimpft, aber leider ist ein neuer Grippevirus aufgetaucht, den die Wissenschaftler nicht voraussehen konnten».
Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Eine Grippeimpfung kann das auslösen, was sie eigentlich verhindern soll – eine Grippe.
Kann sie nicht. Sie kann aber wie erklärt nicht zu 100 Prozent schützen. Häufig werden auch Nebenwirkungen der Impfung beobachtet, welche wie eine einfache Erkältung ablaufen und die «gesunde» Reaktion des Körpers auf den Eindringling darstellen. Obwohl man diesen Prozess dann für eine Grippe hält, stimmt das so nicht. Unser Immunsystem trainiert lediglich für den Ernstfall.
Was halten Sie von dem vieldiskutierten Impfzwang?
Ich halte nicht viel von Zwängen. Wichtig ist, dass sich jeder Gedanken darüber macht und sich im Klaren ist, was man sich und seinem Umfeld zumutet. Aber wie gesagt, es ist jedem selbst überlassen.
Impfen gegen Grippe: Was der Chefarzt rät
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Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.