«Biohacker» streben nach dem Menschen 2.0, dem optimierten Körper und Geist. Ihre Methoden reichen von Veränderungen des Lebensstils bis hin zu Experimenten mit der eigenen DNA. Ein Trend mit Risiken, sagen Experten vom Universitätsspital Zürich (USZ).
Sogenannte «Biohacker» setzen sich zum Ziel, ihren Körper zu optimieren – indem sie ihren Organismus mit chemischen, technischen oder biologischen Mitteln verändern. Publik wurden Fälle von Hobby-Biologen, die Gen-Experimente am eigenen Körper durchführten, um etwa das Muskelwachstum zu fördern oder Erbkrankheiten zu heilen. Andere Do-it-yourself-Forscher implantieren sich Mikrochips, Magnete oder sogar Antennen. Bei weitem nicht alle «Biohacker» gehen derart weit. Die meisten begnügen sich damit, den Hebel bei ihrem Lebensstil anzusetzen, um zu einem optimierten Selbst zu werden. Doch auch gegenüber solch weniger drastischen Formen des «Biohacking» sind Ärztinnen und Ärzte skeptisch. Denn letztlich ist das Ziel das gleiche wie bei den Garagen-Biologen: zu einer Art Supermensch zu werden.
Superfoods und pflanzliche Präparate
«Lifestyle-Biohacker» versuchen ihren Alltag zu optimieren: von der Ernährung und Bewegung über die Konzentrations- und Lernfähigkeit bis hin zu Erholung und Schlaf. Professorin Claudia Witt, Institutsdirektorin komplementäre und integrative Medizin am Universitätsspital Zürich (USZ), stellt den medizinischen Sinn vieler der propagierten Routinen nicht grundsätzlich in Frage: «Dass Meditation, Schlafhygiene und sportliche Betätigung wichtig sind für die Gesundheit, ist schon lange bekannt», sagt sie. Mit Sorge betrachtet sie das allumfassende System von strengen Verhaltensweisen, welchem sich «Lifestyle-Biohacker» unterwerfen. «Wenn man sich ständig Routinen, Terminen und Regeln unterwirft, kann das zu Stress führen. Der Selbstoptimierungsdruck könnte der Gesundheit dann letztlich sogar schaden.»
Als problematisch erachtet Witt ausserdem, dass auf den Szene-Webseiten Superfoods und pflanzliche Präparate angeboten werden, deren Wirkung wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Hinter den «Biohacking»-Websites steckt nämlich oft eine Marketing-Maschinerie. Diese bietet neben Handlungsanleitungen für den Alltag auch pflanzliche und chemische Ergänzungsmittel an sowie Tracking-Produkte, mit denen die «Biohacker» ihre Fortschritte ständig überwachen können.
Essstörungen eine häufige Folge
Häufig setzen «Lifestyle-Biohacker» auch beim Essverhalten an. Weit verbreitet ist beispielsweise das sogenannte «intermittierende Fasten». Gegessen wird dabei nur innerhalb eines Zeitfensters von acht oder weniger Stunden am Tag – ansonsten wird gefastet. «Wir sehen viele junge Menschen, die verrückte Diäten halten», sagt auch Professorin Gabriella Milos, Leitende Ärztin an der Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik des USZ. Diese würden häufig einen Körper mit vielen Muskeln und möglichst ohne Fett anstreben. «Fett ist aber kein Ballast, sondern auch wichtig für den Stoffwechsel», so Milos.
Als Folge solcher Fehlernährung würden zahlreiche Betroffene eine Essstörung entwickeln wie Magersucht, Bulimie oder Binge Eating. Den Trend zur Selbstoptimierung erachtet darum auch Milos als gefährlich. «Er macht nicht glücklicher und führt oft zu psychischen Zwängen und gestörtem Essverhalten.» Sie erachtet die Prävention als gesellschaftliche Aufgabe. Schliesslich lägen die Ursachen in der Welt, in der wir leben. Professorin Gabriella Milos: «Früher verglichen sich Junge innerhalb der Schulklasse. Heute tun sie dies über soziale Medien wie Instagram mit der ganzen Welt.» Es gelte darum, jungen Menschen frühzeitig zu einem gesunden Selbstwert zu verhelfen, der nicht von Äusserlichkeiten abhängt.
Wer seinen Alltag unter medizinischer Anleitung gesünder gestalten will, für den gibt es auch gemässigtere Alternativen zum «Biohacking»-Trend. Entsprechende Angebote in Zeiten von Corona stellt beispielsweise das Institut für komplementäre und integrative Medizin des USZ zur Verfügung. Im Rahmen der «Mind Body Medicine» haben Professorin Claudia Witt und ihr Team eine Webseite mit Tipps und Tricks für einen gesunden Lebensstil aufgeschaltet.
Mehr Infos dazu finden Sie bei www.mbm-usz.ch/corona/
Quelle und Zusammenarbeit: Universitätsspital Zürich www.usz.ch.