Mobilität im Alter: Das Wichtigste ist die regelmässige körperliche Aktivität

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Mobilität im Alter
Mobilität im Alter
Quelle: TCS MyMed

Dr. med. Helen Roth, Co-Chefärztin Geriatrie und Palliative Care des Spitals Affoltern, erklärt im Interview mit TCS MyMed, wieso die Mobilität im Alter so wichtig ist.

Frau Roth, welches sind die häufigsten körperlichen Beschwerden, die mit voranschreitendem Alter auftreten?
Mit zunehmendem Alter häufen sich Gangstörungen mit Sturzneigungen und deren Verletzungsfolgen sowie Schmerzzustände bei degenerativen Veränderungen wie Arthrose an den Gelenken oder Verengungen im Bereich des Rückenmarkkanals. Des Weiteren kommt die Knochenerkrankung Osteoporose hinzu, welche zu Knochenbrüchen mit drastischen Folgen und Schmerzen neigt. Ferner leiden viele ältere Menschen unter Herzschwäche oder Durchblutungsstörungen verschiedener Organe sowie Extremitäten. Aber auch Lungenerkrankungen wie COPD oder Diabetes mellitus mit deren Folgeerscheinungen häufen sich und führen zu körperlichen Beeinträchtigungen mit funktionellen Defiziten.

Gibt es weitere Beschwerden, die vermehrt auftreten?
Nicht selten treten im Alter Seh- und Hörschwächen, aber auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Demenz auf. Je älter eine Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass mehrere Krankheiten zum gleichen Zeitpunkt auftreten. Solche Situationen erschweren die Behandlung massiv, und das Risiko weiterer Komplikationen steigt.

Wieviel Bewegung empfehlen Sie im Alter?
Hier muss die Situation der Betroffenen immer individuell analysiert werden. Als Faustregel empfehle ich, unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Belastbarkeit, eine tägliche Aktivität von rund 30 Minuten.

Welche Art der Bewegung ist am besten geeignet?
Prinzipiell soll jede Person die Aktivitäten wählen, die ihr Spass bereiten und sich bequem in den Alltag integrieren lassen. Zu empfehlen sind Spaziergänge, Wanderungen, Schwimmen, Tanzen und Fahrradfahren. Ergänzend kommen nicht belastenden Tätigkeiten im Haushalt oder Garten sowie das Erledigen von Einkäufen hinzu. Dadurch schafft man sich eine wertvolle Bewegungsmöglichkeit, wenn sportliche Aktivitäten nicht mehr möglich sind.

Oft kommen chronische Erkrankung wie Arthrose, Osteoporose und Arthritis dazu, welche mit Schmerzen verbunden sind. Was raten Sie den Betroffenen, um trotzdem ihre Mobilität zu erhalten?
Wenn Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen auftreten, lohnt es sich, den Hausarzt frühzeitig aufzusuchen. Es gibt die Möglichkeit, die Schmerzen mit Medikamenten zu lindern oder mit physikalischen/physiotherapeutischen Massnahmen zu behandeln. Bei einer fortgeschrittenen Gelenksarthrose mit bewegungseinschränkenden Schmerzen ist gegebenenfalls ein operativer Gelenkersatz notwendig. Wenn die Schmerzen unbehandelt bleiben, besteht das Risiko von zunehmender Immobilität, wodurch der weitere Verlust an Kraft und Beweglichkeit droht.

Wie wichtig sind Hilfsmittel wie ein Rollator oder ein Seniorenmobil?
Da sie die verbleibende Mobilität erhalten und auch fördern, können Hilfsmittel von grossem Nutzen sein. Bei einer ausgeprägten Gangstörung kann beispielswiese ein Rollator zu einer deutlichen Verbesserung der Gehfähigkeit und -sicherheit beitragen. Der Patient kann wieder längere Strecken zurücklegen und wird dadurch wieder mobiler und selbstständiger. Am Anfang fällt es den Seniorinnen und Senioren meistens schwer, ein Hilfsmittel zu akzeptieren. Wenn im Verlauf der Nutzung die Vorzüge erkannt werden, ist ein solcher Begleiter meistens nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Das Hilfsmittel sollte auf die individuellen Bedürfnisse ausgelegt und der Grösse angepasst sein.

Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat die Immobilität eines Menschen auf seinen Körper?
Durch Immobilität steigt das Risiko, dass es zu einem rapiden Muskelabbau kommt, der zu Kraftverlust und Leistungsminderung führt. Damit erhöht sich das Risiko von Instabilität und Stürzen, was drastische Folgen haben kann. Neben einem hohen Verletzungsrisiko, inklusive Frakturen, kann sich auch eine Sturzangst entwickeln, die mit Vermeidungsverhalten und zunehmender Inaktivität einhergeht. Neben dem physischen Abbau besteht auch das Risiko von depressiven Reaktionen, weil die Person weniger am sozialen Leben teilnehmen oder geliebte Aktivitäten nicht mehr ausführen kann. Es droht eine zunehmende Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit.

Kann man präventiv etwas für den Erhalt der Mobilität tun?
Das Wichtigste ist die regelmässige körperliche Aktivität, eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie die Teilnahme am sozialen Leben. Ferner ist es wichtig, dass chronische Begleiterkrankungen, wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck, gut behandelt und kontrolliert werden.

Welche Tipps geben Sie älteren Menschen, um ihr Leben sicher, gesund und mobil zu gestalten?
Wer sich regelmässig bewegt und damit seine Kraft, seine Stabilität und sein Gleichgewicht aufrechterhält, bleibt mobil und kann die Selbstständigkeit länger erhalten. Zur Sturzprävention lohnt es sich, Massnahmen für ein barrierefreies und gut beleuchtetes Wohnen zu ergreifen. Stolperfallen oder lose Teppiche sollten nach Möglichkeit entfernt und Haltegriffe und Handläufe bei Bedarf angebracht werden. Und eine Investition in gutes Schuhwerk lohnt sich ebenfalls. Neben der körperlichen Betätigung sollte man darauf achten, geistig aktiv zu bleiben, indem man regelmässig soziale Kontakte pflegt. Kreuzworträtsel lösen, Schach spielen, Bücher lesen und Nachrichten hören, können das Gehirn anregen. Vielleicht findet man gar Interesse an einer neuen Fremdsprache oder am Erlernen eines Instrumentes. Auch ein soziales Engagement wie Nachbarschaftshilfe kann zu geistiger und physischer Fitness beitragen.

Was raten Sie Personen, welche unter einer Seh- und Hörschwäche leiden?
Bei einer Seh- oder Hörschwäche empfiehlt sich der rechtzeitige Gang zum Augen- oder Ohrenarzt. Nur wer genügend hört und sieht, kann sich mit anderen Menschen adäquat austauschen und damit länger aktiv bleiben.

Und wie sieht es bei der Ernährung aus?
Die Ernährung sollte ausreichend und ausgewogen sein. Im Alter ist speziell auf eine eiweissreiche Kost (mind. 1 Gramm pro Kilo Körpergewicht) zur Förderung der Muskelgesundheit zu achten. Senioren verspüren im Alter oft weniger Durst und neigen dazu, die regelmässige Wasserzufuhr zu vernachlässigen. Eine angemessene Trinkmenge umfasst ca. 1,5 Liter pro Tag.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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