Der Notfall-Chefarzt mahnt: «Nach Corona ist vor Corona!»

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Quelle: TCS MyMed

Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.

Sie sind am Puls der Forschung und erhalten von Ihren Berufskollegen Informationen aus erster Hand. Was glauben Sie, wie lange es geht, bis ein wirksames Medikament einsetzbar ist?
Es gibt bereits wirksame Medikamente, welche bei Patienten, bei denen die Infektion noch nicht in einem Endstadium ist, mit Erfolg getestet und eingesetzt werden. Der Schlüssel wird aber in einer Impfung liegen. Wenn wir diese haben, können wir einmal aufatmen.

Und Ihre Prognose oder Hoffnung für einen Impfstoff?
Wir haben es bisher immer noch irgendwie geschafft. Es betrifft die ganze Welt. Geld spielt im Moment keine oder wenn, dann nur eine untergeordnete Rolle. Also eigentlich eine ideale Ausgangslage für dutzende Forscherteams weltweit. Wir werden vermutlich einen Impfstoff zum Herbst haben, das ist meine Prognose.

Schweizer und ausländische Pharmaunternehmen stellen Medikamente zur Heilung von Corona-Patienten für klinische Tests und Studien bereit. Nimmt Ihre Klinik auch an solchen klinischen Tests teil?
Das Inselspital leistet seinen Beitrag, um die Behandlung von Coronavirus-infizierten Menschen schnellstmöglich zu verbessern und um Menschenleben zu schützen. Es ist uns eine Verpflichtung, unser ganzes Wissen hineinzugeben und nationale sowie internationale Forschung zu unterstützen, wenn wir können.

Welche Massnahmen müssen wir als Gesellschaft seitens Forschung, Politik und Bildung ergreifen, um Epidemien standfester gegenüberzustehen?
Wir sind hier weltweit auf einem falschen Bein erwischt worden. Forschung im Bereich Epidemien und Pandemien ist in der Regel ein schlechtes Geschäft für grosse private Pharmafirmen und muss deshalb noch stärker durch den Bund oder die öffentliche Hand unterstützt werden. Politische und gesundheitspolitische Strukturen sollten gestärkt und noch enger national und international vernetzt und modernisiert werden. Dies ist eine lebenswichtige Investition in die Zukunft. Denn nach Corona ist vor Corona, oder irgendeinem anderen Erreger.

Es gibt ja auf Ihrer Station am Inselspital noch andere Notfälle, oder gehen diese aufgrund der Isolation der Menschen zurück?
Es ist tatsächlich so, dass weniger Menschen mit «normalen» Notfällen auf die Notfallstationen gehen, vor allem, weil sie Angst haben, sich anzustecken. Wir können aber allen Menschen versichern, dass es bei uns vermutlich sicherer ist, als irgendwo sonst im öffentlichen Raum und dass niemand, der gesundheitliche Probleme hat, diese auf die lange Bank schieben sollte, nur weil man Angst hat, sich im Spital anzustecken. Ein verpasster Herzinfarkt kann lebensgefährlich sein.

Haben Sie bei sich im Notfall Massnahmen getroffen, um Patienten vor Ansteckungen zu schützen?
Natürlich haben wir das. Und nicht nur wir, sondern die meisten Notfallstationen tun das. Bei uns an der Insel wird man bereits circa 50 Meter vor dem Eingang zum Notfall durch eine Fachperson zum gesundheitlichen Problem befragt und dann je nach Problematik auf unterschiedliche Wege geführt, damit man sich nicht zu nah kommt. Das ist sehr aufwendig, aber wichtig.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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