Coronavirus: «Virentötende Medikamente sind keine Lutschbonbons»

Bild
Quelle: TCS MyMed

Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.

Herr Exadaktylos, Charité-Virologe Christian Drosten sagt, dass es gerade in der ersten Krankheitswoche und selbst bei noch milden Symptomen am wirksamsten sei, Virusmedikamente zu verabreichen. Andere sagen, man sollte zu Hause bleiben und Paracetamol einnehmen. Wann soll man denn nun auf den Notfall?
Erstens hat die Schweiz genug eigene profilierte Fachleute. Zweitens: Wenn man in der jetzigen Zeit krank ist, sollte man einen Arzt kontaktieren. Milde Symptome werden häufig gar noch nicht wahrgenommen, sondern erst, wenn man etwas stärker erkrankt ist. Virentötende Medikamente sind keine Lutschbonbons fürs Halsweh, sondern hochkomplexe Medikamente mit Nebenwirkungen. Diese sind aber für Personen mit einem Risikoprofil gegebenenfalls sinnvoll. Deshalb ist vor allem bei solchen Patienten ein früher Kontakt mit einem Arzt sehr wichtig.

Immer wieder hört man, dass hochprozentiger Alkohol wie zum Beispiel Gin oder Whiskey die Viren im Rachen abtöte. Was sagen Sie dazu?
Aber nur, wenn gerührt und nicht geschüttelt…… Leider nein, macht nur Kopfschmerzen!

Hat Ihre Notfallstation ein Standardprozedere entwickelt, nach welchem Sie schwere Fälle von Coronavirus-Infizierten behandeln?
Ein solches Konzept gibt es schon lange. Dieses ist interdisziplinär und wurde von mehreren Experten wie z.B. Intensivmedizinern, Lungenspezialisten, Infektionsmedizinern und anderen Fachdisziplinen entwickelt. Dieses funktioniert sehr gut.

Ein amerikanischer Notfallarzt schreibt in seinem Blogbeitrag, dass circa 86 % aller Coronavirus-Patienten, die an eine Beatmungsmaschine müssen, sterben. Deckt sich dieser Wert mit Ihren Erfahrungen?
Bitte aufhören, jeden Blog und jeden privaten Beitrag aus dem Ausland zu lesen. Diese sind für den Nicht-Mediziner häufig schwierig einzuschätzen und zu beurteilen. Interessanterweise haben apokalyptische Beiträge in der Regel mehr Leser als vorsichtig optimistische Stimmen.

Zu welcher Selbstmedikation raten Sie Infizierten, die schon seit einer Woche mit Fieber zu Hause liegen und dazu stark husten?
Denen rate ich, mit der Selbstmedikation aufzuhören und einen Arzt zu kontaktieren, da starker Husten ein Warnsignal für eine beginnende Lungenentzündung sein kann.

Weshalb sind die Prognosen für Coronavirus-Patienten mit einer Lungenentzündung, die an eine Beatmungsmaschinen müssen, derart schlecht – was genau passiert mit dem Körper, dass er sich bei einem schweren Coronavirus-Verlauf nicht regenerieren kann?
Zu Beginn der Erkrankung wird das Lungengewebe durch die Viren direkt geschädigt. Bei einigen Patienten geht dann diese Lungenschädigung in eine nächste Phase über, welche wir als ARDS-Syndrom bezeichnen oder im Volksmund «weisse Lunge» genannt wird. Das heisst deshalb so, weil die Lunge auf dem Röntgenbild weiss erscheint. Das Lungengewebe ist voller Flüssigkeit, kann nur noch bedingt funktionieren und belastet das Herz, welches direkt mit der Lunge verbunden ist, derart, dass es zusätzlich zu einem Herzversagen kommen kann.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

Weitere Artikel zum Thema Corona, Reisenews