Therapie (Behandlung)
Ist kein Leidensdruck beim Kind vorhanden, besteht kein eigentlicher Therapiezwang, sofern eine organische Ursache ausgeschlossen wurde: Pro Jahr verschwindet das Bettnässen bei 15% der Betroffenen von selbst. In den meisten Fällen ist es jedoch erwünscht, dass das Kind spätestens bei Schuleintritt trocken ist. Man weiss ausserdem, dass keine oder eine verzögerte Behandlung zu beträchtlichen psychischen Folgeschäden führen kann, denn Bettnässer haben oft ein vermindertes Selbstwertgefühl, leiden unter Versagensängsten, kapseln sich ab.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie - die z.T. über mehrere Monate gehen kann - ist an erster Stelle die Motivation des Kindes und der Familie. Wichtig ist es, die Betroffenen aufzuklären, Angst und Schuldgefühle abzubauen, das Thema zu enttabuisieren, zu erklären, dass viele an demselben Problem leiden.
Die Behandlung richtet sich individuell nach der Art der Beschwerden, dem Alter und den Ergebnissen der Basisabklärungen. Dabei werden folgende
Behandlungsprinzipien
beachtet:
- Bei nicht-monosymptomatischer Enuresis sind die Tagesbeschwerden vor dem Bettnässen zu behandeln.
- Bei zusätzlichem Einkoten oder Verstopfung sind diese zuerst zu behandeln.
- Psychiatrische Begleitstörungen werden in der Regel gleichzeitig behandelt.
- Die Kombination verschiedener Therapien ist oft erfolgreicher.
1. Allgemeine Massnahmen
Alle nicht chirurgischen und nicht medikamentösen Behandlungsmassnahmen werden unter dem Begriff Urotherapie zusammengefasst. Basistherapie bei allen Enuresis-Formen ist die Standard-Urotherapie, weiterführende Massnahmen gehören zur spezielle Urotherapie.
Standard-Urotherapie (Basistherapie für alle Enuretiker)
- Information: Entwicklung und Reifungsprozesse der Blasenkontrolle, Erklärung der vorliegenden Störung, Therapieoptionen
- Verhaltensmassnahmen:
- Blasenentleerung: Toilettengang bei Harndrang, unmittelbar vor dem Schlafengehen, morgens nach dem Aufstehen und vor längeren Ausfahrten. Bei zusätzlichen Tagesbeschwerden Blasentraining mit regelmässigen Toilettengängen nach Uhr.
- Trinkverhalten: Abendliche Trinkmenge reduzieren, letzte Portion spätestens 1 Stunde vor dem Schlafen. Achtung: Das ist nur möglich, wenn das Kind über den Tag verteilt ausreichend Flüssigkeit getrunken hat (an Alter und Gewicht angepasst). Hilfreich z.B. die 7-Becher-Regel.
- Stuhlregulation bei Verstopfung (Anpassung von Ernährung und Trinkgewohnheiten)
- Motivation: Zum Beispiel selbständiges Führen von Erfolgskalendern
- Dokumentation: Verlaufsprotokolle, regelmässige Kontrollen beim Arzt
Ca. 15% der Bettnässer sind mit diesen allgemeinen Verhaltensmassnahmen nach ca. 4 Wochen trocken.
Spezielle Urotherapie
- Alarmsysteme:
- Erste Wahl bei monosymptomatischer Enuresis; hohe Motivation und Schulung wichtig.
- Verhaltenstherapie mittels Weckapparat (''Klingelhose'', ''Klingelmatte''): Beim ersten Urintropfen klingelt oder vibriert das Alarmsystem und das Kind erwacht und kann aktiv den Harn zurückhalten und zur Toilette gehen. So lernt das Kind mit der Zeit zu spüren, wann seine Blase voll ist.
- Erfolgsrate: ca. 60% nach 2 Monaten, ca. 80% nach 4 Monaten, geringe Rückfallrate
- Weitere spezielle Verfahren, die v.a. bei gleichzeitigen Tagesbeschwerden, also bei Blasenfunktionsstörungen, eingesetzt werden:
- Beckenbodentraining
- Biofeedback
- Elektrostimulation u.a.
2. Medikamentöse Therapie
- ADH-Ersatz (Hormontherapie):
- Bei zu grossen nächtlichen Harnmengen infolge eines Mangels des antidiuretischen Hormons (ADH) kann ein künstlich hergestellter Ersatz in Tablettenform verabreicht werden.
- Einsatz bei monosymptomatischer Enuresis: Wenn andere Behandlungsmethoden wie Urotherapie und Alarmtherapie nicht anschlagen; wenn familiäre oder andere Belastungen aufwendige Therapien nicht zulassen; bedarfsmässig zur Überbrückung von speziellen Situationen (Schulreise, Ferienreise etc.); bei fehlender Motivation für aufwendige Therapien.
- Erfolgsrate 60-70%, hohe Rückfallquote, die aber durch Ausschleichen der Therapie verringert werden kann.
- In Fällen mit noch unreifer Blasenkontrolle und überreaktivem Blasenmuskel (oft auch mit Tagesbeschwerden) können Wirkstoffe verabreicht werden, die das Zusammenziehen des Blasenmuskels und damit die Blasenentleerung unterdrücken und so das Fassungsvermögen der Blase erhöhen. Einsatz nach erfolgter Urotherapie (inkl. Alarmtherapie). Oft als Kombinationstherapie mit dem ADH-Ersatz.
- Bei Tagesbeschwerden mit Blasenentleerungsstörungen können Wirkstoffe helfen, die den Blasenhals entspannen und so die Blasenentleerung erleichtern.
3. Alternative Therapiemassnahmen
- Akupunktur: z.B. Laserakupunktur (schmerzlos) bei nicht auf Therapie ansprechender primärer monosymptomatischer Enuresis
- Homöopathie, Chirotherapie, Hypnose: unklare Wirksamkeit bei unzureichender Datenlage
4. Therapie von Begleitstörungen
Begleitstörungen müssen in Zusammenarbeit mit entsprechenden Fachspezialisten behandelt werden.