Kinderlähmung: Auch Erwachsene können sich anstecken



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Quelle: TCS MyMed


Prof. Dr. Ulrich Heininger, Leitender Arzt und Chefarzt Stv. Pädiatrie des Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), zum Thema Kinderlähmung.

Herr Heininger, was ist die Kinderlähmung?
Die Kinderlähmung ist eine Virusinfektion, bei der sich die Viren im Rückenmark festsetzen können und es anschliessend zu verschiedenen Nervenlähmungen kommt. In der Fachsprache wird die Erkrankung auch Poliomyelitis genannt. Der Begriff setzt sich aus Polio, was für Mehrere steht, und dem griechischen Wort für Entzündung des Rückenmarks, Myelitis, zusammen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat es sich zum Ziel gemacht, die Kinderlähmung weltweit zu eliminieren.

Woher kommt die Bezeichnung Kinderlähmung?
Die Erkrankung heisst Kinderlähmung, weil früher (vor 1960), als man noch nicht dagegen impfen konnte, die Krankheit so häufig vorkam und so ansteckend war, dass man meistens schon im Kindesalter erkrankte.

Wie wird der Erreger übertragen?
Bei der Kinderlähmung handelt es sich um die Infektion durch einen Virus, von dem es 3 verschiedene Typen gibt und der zur Gruppe der Darmviren (Enteroviren) gehört. Enteroviren werden besonders effizient fäkal-oral übertragen. Das heisst, dass die mit dem Stuhl (fäkal) ausgeschiedenen Erreger über den Mund (oral) aufgenommen werden. Ist eine Person empfänglich für diesen Erreger, genügt der Kontakt mit einer mikroskopisch kleinen Menge, um sich zu infizieren. Die Übertragung kann nur von Mensch zu Mensch stattfinden.

Wodurch macht sich die Kinderlähmung bemerkbar?
Bei 99 von 100 Menschen löst der Erreger lediglich Durchfall aus. Nur bei einer von 100 infizierten Personen finden die Viren den Weg aus dem Stuhl über das Blut in das Nervensystem. Anschliessend kommt es zum Befall des Rückenmarks, was zu einer Lähmung führt. Vor 1960 war also rund jeder hundertste Mensch ein Opfer von Kinderlähmung. Nur bei circa 50 Prozent der Betroffenen bildet sich die Lähmung im Laufe von Wochen oder gar Monaten wieder zurück.

Stimmt es, dass sich auch Erwachsene anstecken können?
Ja, auch Erwachsene können sich mit dem Virus infizieren. Wer in der Schweiz lebt, hat aktuell ein zu vernachlässigendes Risiko, da nach aktuellem Wissenstand keine Kinderlähmungsviren zirkulieren. Anders sieht es aus, wenn man sich auf Reisen begibt. Vorsicht ist vor allem in Ländern wie beispielsweise Afghanistan, Pakistan und Nigeria geboten. Grundsätzlich kann man aber sagen, wer sich innerhalb von Europa bewegt, kann mehr oder weniger sorglos reisen.

Treten bei Erwachsenen andere Symptome als bei Kindern auf?
Nein, es treten dieselben Symptome wie bei Kindern auf.

Wie wird die Kinderlähmung behandelt?
Leider gibt es bis heute kein Medikament gegen diese Viren. Man kann lediglich die Krankheitssymptome behandeln. Eine Lähmung lässt sich jedoch leider nicht wirksam behandeln und es bleibt nur die Möglichkeit, unterstützende Massnahmen zu ergreifen.

Kann die Krankheit vollständig geheilt werden?
Geheilt werden kann die Krankheit leider nicht. Wenn die Betroffenen Glück haben, heilt die Krankheit von selbst und die Lähmungen verschwinden.

Es wird empfohlen, alle Säuglinge und Kleinkinder zum Schutz impfen zu lassen. Kann man sich noch anders vor der Kinderlähmung schützen?
Nein, man kann sich lediglich durch eine Impfung vor der Krankheit schützen.

Was sollte man tun, wenn man als Säugling nicht geimpft wurde?
Alle Erwachsenen, die im Kindesalter nicht ausreichend geimpft wurden, sollen Nachholimpfungen erhalten! Alle anderen Erwachsene erhalten eine Auffrischimpfung alle 10 Jahre, wenn sie einem speziellen Risiko ausgesetzt sind. Zu diesen Risiken gehört die Arbeit mit Kinderlähmungsviren in einem Labor oder das Reisen in Länder, in denen die Viren aktuell Krankheitsfälle verursachen. Jemand, der keinen Impfausweis hat und nicht belegen kann, ob er jemals geimpft wurde, sollte also eine Grundimmunisierung mit drei Impfungen bekommen.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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