Epilepsie-Tag 2022: Eine Erkrankung, die mit vielen Vorurteilen und Irrtümern kämpft

Epilepsie-Tag 2022


Krankheiten

Quelle: TCS MyMed


Heute ist der Epilepsie-Tag 2022. Viele wissen nur wenig über Epilepsie, obwohl die Erkrankung recht häufig ist – aber die Betroffenen reden oft nur ungern darüber, und es gibt immer noch viele Vorurteile und Irrtümer. Deshalb klärt die Schweizerische Epilepsie-Liga über die Erkrankung auf − das ganze Jahr über, aber ganz besonders an diesem Tag. Im Interview: Prof. Dr. med. Barbara Tettenborn, Präsidentin der Schweizerischen Epilepsie-Liga.

Was ist Epilepsie und was sind die Anzeichen eines epileptischen Anfalls?
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die sich in epileptischen Anfällen äussert. Epileptische Anfälle sind Störungen des Gehirns aufgrund kurz dauernder, vermehrter Entladungen von Nervenzellen – ein beliebtes Bild dafür ist das «Gewitter im Hirn».

Gibt es verschiedene Anfallsformen?
Ja, sehr unterschiedliche. Vielen ist nur der tonisch-klonische Anfall bekannt, der früher als «Grand mal» bezeichnet wurde – ein Sturz mit Verkrampfen und Zuckungen, die äusserst dramatisch aussehen. Doch manche Anfälle werden von Laien kaum bemerkt oder missverstanden, z. B. sind die Betroffenen nur kurz abwesend, oder der Anfall äussert sich in unwillkürlichen Bewegungen wie in Trance. Kommen solche Ereignisse öfters vor, ist die richtige Abklärung wichtig.

Wodurch entsteht die Epilepsie und was sind die Ursachen für diese Erkrankung?
Epilepsien liegen in aller Regel Veränderungen im Gehirn zugrunde, diese können äusserst vielfältig sein. Eine erhöhte Bereitschaft zu epileptischen Anfällen kann angeboren sein, in seltenen Fällen liegt ein Genfehler vor. Sie kann vor allem im etwas höheren Erwachsenenalter durch Erkrankungen oder Verletzungen erworben werden, beispielsweise durch Tumore oder Durchblutungsstörungen. Nicht immer lässt sich die Ursache einer Epilepsie herausfinden, auch wenn wir dabei Fortschritte machen.

Gibt es Trigger, welche einen Anfall auslösen können?
Ja, die gibt es, sie sind allerdings recht individuell. Flackernde Lichter lösen nur bei rund fünf Prozent der Betroffenen Anfälle aus. Häufigere anfallsauslösende Faktoren können Schlafmangel, Stress oder Alkohol sein. Eine Überdosis Alkohol kann sogar bei Menschen, die keine Epilepsie haben, Anfälle auslösen. Noch häufiger sind Alkoholentzugsanfälle bei Menschen, die lange Zeit zu viel Alkohol trinken und dann plötzlich einige Tage nicht mehr trinken. Bei Kleinkindern kann Fieber epileptische Anfälle auslösen; diese sogenannten Fieberkrämpfe sind meist harmlos.

Viele Menschen wissen nicht, wie bei einem epileptischen Anfall vorzugehen ist. Wie leistet man korrekt Erste Hilfe bei einem Anfall?
Am wichtigsten ist, die Person vor Verletzungen zu schützen – besonders den Kopf, ausserdem ruhig zu bleiben und die Person nicht allein zu lassen. Gefährliche Gegenstände aus dem Weg räumen und nur wenn nötig den Betroffenen aus einer Gefahrenzone entfernen. Etwas Weiches unter den Kopf legen, Kleidung lockern und die Anfallszeit stoppen. Nichts zwischen die Zähne zwängen und die Bewegungen nicht blockieren. Eine Ambulanz braucht es meistens erst, wenn der Anfall mehr als drei Minuten dauert oder sich jemand ernsthaft verletzt hat. Dazu haben wir einen Kurzfilm gedreht, den Sie unter www.epi.ch/film finden.

Gibt es Therapiemöglichkeiten, um die Erkrankung zu mildern oder gar zu heilen?
Fast alle Epilepsiebetroffenen nehmen Medikamente, und zwei Drittel leben damit ohne Anfälle. Bei einem Drittel bleibt die Epilepsie schwer behandelbar. In manchen Fällen lässt sich die Erkrankung mit einer Operation tatsächlich heilen. Für schwierige Fälle gibt es ausserdem eine spezielle Diät oder Methoden, das Gehirn mit elektrischen Reizen zu stimulieren. Diese Methoden machen aber selten ganz anfallsfrei und kommen auch nur für wenige ausgewählte Patientinnen und Patienten in Betracht.

Bei einem epileptischen Anfall kommt es oft zum Sturz. Wie können Betroffene sich vor Sturzverletzungen schützen?
Wer trotz der Behandlung häufig Anfälle ohne Vorwarnung mit schweren Stürzen hat, sollte einen Helm oder eine spezielle Schutzkappe tragen. Häufig tritt Epilepsie neu bei älteren Menschen auf, für die Stürze eine besondere Gefahr darstellen. Dann ist insbesondere eine frühzeitige und konsequente Behandlung mit Medikamenten wichtig. Gefährlicher als ein Sturz kann übrigens Wasser sein, denn ein epileptischer Anfall beim Schwimmen oder in der Badewanne ist lebensgefährlich.

Was bietet die Schweizerische Epilepsie-Liga betroffenen Personen?
Wir forschen, helfen und informieren seit 1931. Konkret bieten wir Informationsflyer und Kurzfilme rund um die Epilepsie, organisieren Veranstaltungen und beantworten Fragen rund um die Erkrankung. Unsere Partnerorganisation, die Patientenorganisation Epi-Suisse, unterstützt zu sozialen Themen und bietet Workshops, Selbsthilfe und Ferienwochen an.

Dürfen Epilepsiebetroffene Auto fahren?
Mit einer aktiven Epilepsie ist die Fahreignung aufgehoben. Wer lang genug anfallsfrei ist, darf unter bestimmten Voraussetzungen wieder einen Personenwagen für Privatzwecke steuern. Für Berufschauffeure gelten strengere Regeln – sie müssen sich in den meisten Fällen einen anderen Beruf suchen.


Quelle und Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Epilepsie-Liga (www.epi.ch).

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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