Kann man mit Alzheimer noch Autofahren?

Alzheimer


Krankheiten

Quelle: TCS MyMed


Stefanie Becker, Alzheimer Schweiz

Erkrankt eine geliebte Person an Alzheimer, stellt sich sowohl das Leben der Erkrankten als auch der Angehörigen auf den Kopf. Die Diagnose bringt viele Ängste, Unsicherheiten und Fragen mit sich. Frau Dr. phil. Stefanie Becker, Direktorin von Alzheimer Schweiz, klärt auf.

Frau Becker, was versteht man unter dem Begriff Alzheimer und welche Symptome sind typisch dafür?
Alzheimer ist mit einem Anteil von rund 60 Prozent die häufigste Demenzform. Typisch für diese Form ist, dass die geistigen Fähigkeiten wie das Gedächtnis, die Sprache, die zeitliche und räumliche Orientierung oder die Denkfähigkeit beeinträchtigt sind. Der Krankheitsverlauf ist dabei individuell unterschiedlich: Verschiedene Symptome können früher oder auch später auftreten.

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Wie kann man frühzeitig Anzeichen von Alzheimer erkennen und darauf reagieren?
Mit zunehmendem Alter ist es normal, dass manche kognitiven Fähigkeiten nachlassen und wir vergesslicher werden. Wenn einem das Kurzzeitgedächtnis jedoch zunehmend im Stich lässt, sich Orientierungsschwierigkeiten im gewohnten Umfeld häufen, einem das passende Wort oft nicht in den Sinn kommt, dann können dies Anzeichen für Alzheimer oder eine andere Demenzform sein. Mehren sich solche Anzeichen, ist eine ärztliche Abklärung sinnvoll.

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Wie wird Alzheimer diagnostiziert?
Die erste Anlaufstelle ist in der Regel die Hausärztin oder der Hausarzt. Im Gespräch mit der ärztlichen Fachperson ergeben sich aus der medizinischen Vorgeschichte und den aktuellen Beschwerden wichtige Anhaltspunkte. Danach erfolgen weitere Untersuchungen und Tests. Sind deren Resultate auffällig oder unklar, empfiehlt sich eine weitere Abklärung durch eine Spezialistin oder einen Spezialisten in einer Memory Clinic, um die genaue Diagnose festzustellen. Dort kommen neben neuropsychologischen Tests, Laboruntersuchungen eventuell auch bildgebende Verfahren zum Einsatz. 

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Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Personen mit Alzheimer und gibt es bestimmte Medikamente, die die Symptome von Alzheimer lindern können?
Noch gibt es kein Medikament, welches Alzheimer heilt oder stoppt. Aktuell befinden sich zwei neuartige Wirkstoffe in der Zulassung in der Schweiz, welche die an der Entstehung der Alzheimer-Krankheit beteiligten Eiweisse direkt angreifen. Studien haben gezeigt, dass sie in einem sehr frühen Stadium den Verlauf verzögern können. Alzheimer aufhalten oder gar heilen ist aber auch mit diesen Wirkstoffen nicht möglich.

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Gibt es alternative Therapiemöglichkeiten zur Linderung der Symptome?
Zu Beginn der Erkrankung sind bereits heute verfügbare Medikamente, die sogenannten Antidementiva, hilfreich, um eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten hinauszuzögern. Diese haben ausserdem eine mildernde Wirkung auf Begleitsymptome einer Erkrankung wie z. B. auf Unruhe, Halluzinationen oder Apathie. Verschiedene nichtmedikamentöse Therapien wie etwa Ergotherapie, Logopädie oder Physiotherapie lindern zudem die Symptome, erhalten die Lebensqualität und stärken die Autonomie der Erkrankten. Auch weitere Aktivitäten wie zum Beispiel Musiktherapie, Tanzen oder Gymnastik tragen viel zu einem guten Wohlbefinden bei.

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Wie wirkt sich Alzheimer auf das Gehirn aus und welche Veränderungen treten auf?
Bei Alzheimer und anderen Demenzformen bauen sich die Nervenzellen im Gehirn allmählich ab. Ursache sind verschiedene Eiweissablagerungen, welche die Zellen schädigen. Die Kommunikation zwischen den Neuronen ist somit beeinträchtigt. Deshalb können Informationen nicht mehr adäquat verarbeitet und in andere Gehirnregionen weitergeleitet werden. Die geistigen Fähigkeiten nehmen somit schrittweise ab. Vergesslichkeit, Orientierungsprobleme oder auch Schwierigkeiten bei Routinetätigkeiten wie etwa die Kaffeemaschine bedienen, machen sich mit wachsender Häufigkeit bemerkbar.

Mehr erfahren im Infoblatt «Häufige Ursachen von Demenz»

Hilfe finden bei Alzheimer Schweiz
Aktuell leben in der Schweiz 153 000 Menschen mit Demenz. Alle 16 Minuten erkrankt hierzulande jemand neu an Alzheimer oder an einer anderen Demenzform. Ein gutes Leben ist auch mit einer solchen Erkrankung möglich. Eingehend über die jeweilige Demenzform informiert sein, sich begleiten lassen durch Fachpersonen und Entlastung finden, sind zentral. Alzheimer Schweiz und ihre kantonalen Sektionen unterstützen Demenzbetroffene schweizweit mit vielen Dienstleistungen und Angeboten: alz.ch.

Welche Auswirkungen hat Alzheimer auf das tägliche Leben der Betroffenen?
Eine Demenzerkrankung stellt das Leben aller Betroffenen auf den Kopf. Die Erkrankten sind damit konfrontiert, dass sie ihre früheren geistigen Fertigkeiten allmählich verlieren und zunehmend auf Unterstützung angewiesen sind. Ihre Angehörigen sind betroffen, weil sich die bisherigen Rollen verändern und sie vermehrt auch Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernehmen. Für beide – Erkrankte und Angehörige – ist es wichtig, dass sie sich von Beginn weg begleiten und beraten lassen und Unterstützung sowie Entlastung erhalten. Die kantonalen Sektionen von Alzheimer Schweiz sind dabei eine wichtige, wohnortsnahe und niederschwellige Anlaufstelle.

Hilfe in der Nähe finden: Sektionen von Alzheimer Schweiz

Wie kann man als Angehöriger eines Alzheimer-Erkrankten am besten unterstützen?
Je nach Stadium der Erkrankung ist eine andere Unterstützung gefragt. Zu Beginn einer Alzheimer-Erkrankung ist es hilfreich, u. a. folgende Hinweise zu beachten:

  • Sprechen Sie über Ihre Sorgen, Ihre Trauer mit der erkrankten Person, aber auch mit einer vertrauten Person oder holen Sie sich Hilfe, z.B. bei einer Angehörigengruppe.
  • Informieren Sie Ihr Umfeld, das hilft, sich vor Unverständnis und Isolation zu schützen.
  • Versuchen Sie gemeinsam mit der erkrankten Person Pläne für das Leben mit der Krankheit zu machen: Was ist Ihnen, ihr wichtig?
  • Es ist wichtig, die Wahrnehmung des Gegenübers ernst zu nehmen und dieser Raum zu geben.
  • Bleiben Sie bei Fehleistungen oder in schwierigen Situationen ruhig, geduldig und wertschätzend.
  • Sorgen Sie auch für sich selbst. Nur wenn Sie selbst gesund bleiben, können Sie für Ihr Familienmitglied da sein.
  • Pflegen Sie liebgewonnene Routine und strukturierte Tagesabläufe, sie geben Sicherheit.
  • Aufgaben, die gelingen, machen Freude und stärken den Selbstwert. Deshalb sind Aufgaben sinnvoll, die nicht überfordern, sondern auf den noch vorhandenen Ressourcen aufbauen.

Weitere Tipps für Angehörige: Infoblatt «Den Alltag aktiv gestalten»

Gibt es präventive Massnahmen, um das Risiko für Alzheimer zu verringern?
Zwar steigt mit dem Älterwerden das Risiko, an Alzheimer oder an einer anderen Demenzform zu erkranken. Dennoch kann jeder einzelne dazu beitragen, sein Erkrankungsrisiko zu senken. Wer sich ausgewogen ernährt, auf Rauchen verzichtet, geistig aktiv bleibt und zum Beispiel eine neue Sprache lernt, sich regelmässig bewegt und soziale Kontakte pflegt, fördert die Hirngesundheit. Wichtig ist ebenso, gesundheitliche Probleme wie z. B. hoher Blutdruck, Diabetes, Schlafstörungen oder Hörbeeinträchtigungen frühzeitig behandeln zu lassen, um das Risiko zu vreringern an Alzheimer oder anderen Demenzformen zu erkranken.

Mehr zur Demenzprävention

Was gilt es bei der Pflege von Menschen mit Alzheimer besonders zu beachten?
Zu Beginn der Erkrankung benötigen Menschen mit Demenz vor allem Begleitung und Betreuung, auch emotional: Ein gut strukturierter Alltag und Aktivitäten, die sie möglichst autonom oder mit etwas Hilfe umsetzen können, sind dabei wichtig. Im Verlauf der Erkrankung benötigen Demenzerkrankte zunehmend mehr Unterstützung. Dann sind Angehörige und Pflegefachpersonen vor allem auch als aufmerksame Beobachtende gefragt: Verspürt die erkrankte Person evtl. Schmerzen, kann diese aber nicht mehr verbal mitteilen? Isst und trinkt die Person genügend, um nicht abzumagern oder zu dehydrieren? Oft sind bei Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz auch kreative Lösungen gefragt.

Welche Rolle spielt Ernährung und Bewegung bei der Prävention?
Eine ausgewogene Ernährung wirkt sich positiv auf unsere Gesundheit aus, beugt Problemen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Adipositas vor und versorgt das Gehirn mit wichtigen Nährstoffen. Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte, Olivenöl und auch Fisch sollten deshalb fester Bestandteil des Speiseplans sein. Zudem ist regelmässige Bewegung wichtig für die physische Gesundheit, sie trägt auch zur geistigen Fitness bei und senkt das Risiko, an Alzheimer und anderen Demenzformen zu erkranken. Es genügt bereits, täglich rund 30 Minuten zügig zu gehen, Haus- und Gartenarbeit zu verrichten oder zwei Busstationen früher auszusteigen und den Rest zu Fuss zugehen.

Mehr zur Ernährung und Bewegung

Welche Herausforderungen stellen sich im Umgang mit Personen, die an fortgeschrittenem Alzheimer leiden?
Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium benötigen zunehmend mehr Betreuung und Pflege. Ihr Verhalten ändert sich stetig und ist für Angehörige oft nicht nachvollziehbar. Erkrankte nehmen gewisse Veränderungen selbst wahr. Häufig können sie aber krankheitsbedingt nicht nachvollziehen, was diese Veränderungen für den Partner, die Ehefrau oder die Familie bedeutet. Diese müssen sich täglich neu auf die erkrankte Person einstellen, ihre Fähigkeiten unterstützen und was nicht mehr geht, abdecken. Angehörige, welche die Person mit Demenz noch zu Hause betreuen, sind dabei rund um die Uhr im Einsatz. Oft sind sie erschöpft, am Ende ihrer Kräfte und riskieren, selbst zu erkranken. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist es dringlich, dass sich Angehörige Entlastung und Unterstützung suchen, z. B. bei den kantonalen Sektionen von Alzheimer Schweiz.

Entlastung finden in der Nähe: Kantonale Alzheimer-Sektionen

Wie können wir als Gesellschaft dazu beitragen, das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Alzheimer zu stärken?
Alzheimer und andere Demenzformen sind nach wie vor stigmatisiert. Vor allem auch, weil die die Öffentlichkeit zu wenig gut informiert ist über die Erkrnakung und ihre Auswirkungen für Betroffene. Manche Erkrankte und Angehörige verheimlichen aus Scham deshalb die Erkrankung lange, verzichten auf die notwendige Unterstützung sowie Entlastung und ziehen sich zurück. Eine Gesellschaft, die mehr über die Demenz weiss und Betroffene, die bereit sind, über ihr Leben mit der Erkrankung öffentlich zu sprechen, leisten einen wichtigen Beitrag zum Abbau von solchen Tabus. Angebote, welche die Inklusion von Betroffenen fördern, sind ebenso ein wichtiger Teil, wie zum Beispiel Zoo- oder Museumbesuche, gesellige Anlässe wie die Alzheimer-Cafés oder andere Aktivitäten der Sektionen von Alzheimer Schweiz.

Mehr zu den Veranstaltungen der Alzheimer-Sektionen: Agenda

Kann man mit Alzheimer noch Autofahren?
Alzheimer oder eine andere Demenzerkrankungen beeinträchtigen die Aufmerksamkeit, die Orientierung und auch die Reaktionszeit. Wer über viele Jahre regelmässig Autofahrer war, hat viele notwendige Fertigkeiten verinnerlicht. Zu Beginn einer Alzheimer-Erkrankung ist Autofahren deshalb oft noch möglich. Im weiteren Verlauf der Erkrankung wird das Autofahren schwieriger und damit auch gefährlicher. Spätestens dann ist angezeigt, eine Eignungsprüfung zu durchlaufen oder den Führerschein freiwillig abzugeben. Ob es Zeit dafür ist, können Angehörige z.B. mit der Frage «Würde ich mein Kind noch mitfahren lassen?» meist ganz gut erspüren.  Oft fällt es schwer, das Thema anzusprechen. Die Beraterinnen von Alzheimer-Telefon beraten bei diesen und weiteren Fragen: 058 058 80 00.

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