Der Notfall-Professor im grossen Interview zum Lockdown-Ende



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Corona

Quelle: TCS MyMed


Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.

Herr Professor Exadaktylos, Schluss mit Homeoffice und zurück zur Normalität. Gehört die Ansteckungsgefahr nun zum Alltag?
Sie wird vermutlich ein Teil unseres Alltags werden, aber ich hoffe, dass es nicht «alltäglich» sein wird. Damit will ich sagen, dass wir nicht aufgeben sollten, wachsam zu sein und die Verbreitung dieses Virus zu bekämpfen.

Ich fahre wieder mit dem Auto ins Büro und meine Arbeitskollegin fragte mich heute nach einer Mitfahrmöglichkeit. Sollten wir beide Masken tragen oder muss ich sie gar auf den Rücksitz verweisen?
Jeder Tag nach dem «Lockdown» wird uns mehr Informationen über die «neue» Dynamik des Virus bringen. Ich persönlich würde Masken empfehlen, wenn man auf so engem Raum mit «fremden» Menschen unterwegs ist. Der Schutz ist auf keinen Fall zu 100 Prozent gewährleistet, aber besser als nichts. Deshalb auch die Handhygiene nicht vergessen.

Und wie soll man sich nun in wieder zunehmend überfüllten Zügen und Bussen verhalten?
Ich werde eine Maske tragen und mir vor und nach der Fahrt die Hände desinfizieren. Wer die Möglichkeit hat, die ÖV zu Stosszeiten zu meiden, sollte das vorläufig unbedingt versuchen.

Lehrpersonen machen sich Sorgen um deren Gesundheit in vollen Klassenzimmern. Die Kritik lautet: «Wir werden als Versuchskaninchen missbraucht.» Wie sehen Sie das?
Wir machen uns alle Sorgen, für uns alle wird der Alltag nach dem Lockdown ein grosses Experiment mit vielen Risiken. Die Schüler-Lehrer-Interaktion ist eine davon. Ich persönlich trete sehr dafür ein, dass gesundheitlich gefährdete Personen in dieser ersten Phase noch besonders geschützt werden sollten.

Meine Tochter ist fünf Jahre alt und geht ab sofort wieder in die Spielgruppe. «Social Distancing» ist dort unmöglich. Sind wir Eltern nun einer möglichen Ansteckung ausgeliefert?
In unserem Alltag werden wir es regelmässig mit Schnittstellen zu tun haben, an denen eine Übertragung möglich ist. Alltag ohne soziale Interaktion ist fast nicht möglich. Eltern mit Grunderkrankungen sollten sich beraten lassen.

Auch Restaurants, Bars und Kneipen fahren den Betrieb wieder hoch. Kann man als Gast nun unbedenklich konsumieren oder könnte ein von einem hustenden Koch zubereitetes Essen gefährlich werden?
Auch früher konnte man nicht verhindern, dass «einem jemand in die Suppe spuckt». Wir werden einige Zeit brauchen, um zu verstehen, wie die Ansteckungsdynamik funktioniert.

Ein bekannter Virologe rät, ausser Haus kein Bier mehr aus Gläsern zu trinken. In Lokalen würden sich Kontakte mit Menschen schnell häufen und auch schlecht gespülte Gläser das Virus weitertragen. Also ab sofort nur noch Bier aus der Flasche?
Der Alkoholkonsum war noch nie ungefährlich. Aber die Kneipe um die Ecke und der Restaurantbesuch sind ein Kulturgut und gehören für viele von uns zum Leben dazu. So, wie sich unser Leben in den nächsten Monaten an die neue Wirklichkeit mit Covid-19 anpassen muss, wird sich auch unser Genuss einer «Stange» verändern. Die Hygienevorschriften werden sehr viel strenger sein als vorher. Das ist schon mal eine gute Nachricht.

Ein Blick in die Zukunft: In unserer Kultur sind in den meisten Fällen zwei bis drei Begrüssungsküsse üblich. Sollte man darauf nun für immer verzichten?
Ja, für eine Weile sollte man darauf verzichten.

Amerikanische Experten erwarten, dass das Virus in den nächsten vier bis fünf Jahren nicht verschwinden wird. Ein Kommen und Gehen, ein Auf und Ab. Ist das möglich?
Seit diesem Jahr würde ich sagen: nichts ist unmöglich.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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